Mit dem 2024 verabschiedeten Wachstumschancengesetz möchte die deutsche Bundesregierung Unternehmen in angespannten Zeiten helfen, in Forschung, Entwicklung und wirtschaftliches Wachstum zu investieren. Mit einer Vielzahl von steuerlichen Erleichterungen und strukturellen Anpassungen sollen die Rahmenbedingungen für Innovationen und Investitionen verbessert werden. In diesem Artikel erfahren Sie, was das Wachstumschancengesetz ist, welche Neuerungen es für Unternehmen mit sich bringt und welche Ziele damit verfolgt werden. Darüber hinaus erklären wir, ob Unternehmen die Leistungen des Wachstumschancengesetz beantragen müssen.
Worum geht es in diesem Artikel?
- Was ist das Wachstumschancengesetz?
- Welche Ziele werden mit dem - Wachstumschancengesetz verfolgt?
- Was beinhaltet das Wachstumschancengesetz?
- Müssen Unternehmen die Leistungen des Wachstumschancengesetz beantragen?
Was ist das Wachstumschancengesetz?
Der Deutsche Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates am 27. März 2024 das „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ beschlossen, kurz: das Wachstumschancengesetz.
Es ist Teil des 10-Punkte-Plans, mit dem die Bundesregierung den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken und hiesige Unternehmen wettbewerbsfähiger machen möchte. Insgesamt sollen die in 35 Artikeln beschlossenen Maßnahmen Unternehmen um 3,2 Milliarden € entlasten.
Im ursprünglichen Regierungsentwurf waren deutlich mehr Maßnahmen und ein Entlastungsvolumen von 6,3 Milliarden € vorgesehen. Dieser wurde vom Bundestag angenommen, doch vom Bundesrat zunächst abgelehnt. Mithilfe eines Vermittlungsausschusses wurde ein Kompromiss gefunden, der am 22. März 2024 auch vom Bundesrat angenommen wurde. Viele geplante Steuerentlastungen sowie unter anderem die vorgesehene Klimaschutz-Investitionsprämie wurden aus dem Gesetz gestrichen.
Welche Ziele werden mit dem Wachstumschancengesetz verfolgt?
Das übergeordnete Ziel des Wachstumschancengesetz ist eine Stärkung der deutschen Wirtschaft: Es soll die Liquiditätssituation der Unternehmen verbessern sowie konkrete Wachstumsimpulse setzen und Anreize für Investitionen und Innovationen schaffen. Zudem soll es das Steuerrecht weiter modernisieren und das Steuersystem an zentralen Stellen vereinfachen. Vor allem kleine Betriebe werden durch eine Anhebung von Pauschalen und Schwellenwerten von Bürokratie entlastet. Laut der Begründung des Gesetzesentwurfs dienen die beschlossenen Maßnahmen vorrangig der Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumschancen des Standorts.
Des Weiteren möchte die Bundesregierung mithilfe des Wachstumschancengesetzes die Transformation der Wirtschaft unterstützend begleiten. Deutschland soll zukunftssicher aufgestellt und die Wirtschaft klimaneutral ausgerichtet werden.
Was beinhaltet das Wachstumschancengesetz?
Das Wachstumschancengesetz beinhaltet eine Reihe von Maßnahmen, die für die deutschen Unternehmen Erleichterungen, aber auch neue Pflichten mit sich bringen. Wir haben die wichtigsten Punkte für Sie zusammengefasst:
Pflicht zur E-Rechnung
Das Wachstumschancengesetz macht elektronische Rechnungen zum neuen Standard im B2B-Bereich. Bislang konnten Unternehmen Rechnungen auch als PDF-Datei oder in Papierform übermitteln – ab 2028 dürfen nur noch E-Rechnungen ausgestellt werden. In den Jahren 2025 bis 2027 gelten Übergangsregelungen. Von der E-Rechnungspflicht befreit sind lediglich Kleinbetragsrechnungen sowie Rechnungen über steuerfreie Umsätze und Fahrausweise (siehe § 34 UstDV). Die betreffenden Unternehmen müssen laut Wachstumschancengesetz keine E-Rechnungen erstellen, aber technisch in der Lage sein, eingehende E-Rechnungen zu verarbeiten. Hierzu zählen die in Deutschland gängige XRechnung sowie die hybride ZUGFeRD-Rechnung. Unternehmen, die im Zuge des Wachstumschancengesetz die E-Rechnung neu in ihre Buchführung integrieren, müssen hierfür Zeit und Geld aufwenden, profitieren jedoch langfristig gesehen davon.
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Verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten
Einer der zentralen Punkte des Wachstumschancengesetzes ist die Abschreibung. Mit einer Abschreibung oder AfA („Absetzung für Abnutzung“) können Unternehmen teure Anschaffungskosten über einen längeren Zeitraum hinweg von der Steuer absetzen (siehe § 7 EStG). Die gängigste Abschreibungsmethode ist die lineare Abschreibung, bei der das Wirtschaftsgut in gleichbleibenden Jahresbeträgen abgeschrieben wird. Die zweite mögliche Methode ist die degressive Abschreibung, bei welcher der Jahresbeitrag von Jahr zu Jahr abnimmt. Die degressive Abschreibung für bewegliche, materielle Güter wurde zeitlich befristet im Zuge der Corona-Pandemie eingeführt, um Unternehmen bei Neuinvestitionen zu unterstützen.
Das Wachstumschancengesetz gestattet eine degressive Abschreibung beweglicher Güter, die für das betriebliche Anlagevermögen im Zeitfenster vom 1. April bis zum 31. Dezember 2024 erworben worden sind. Unternehmen, die entsprechende Güter in diesem Zeitraum gekauft haben, können diese linear oder degressiv abschreiben. Durch diese Regelung zur degressiven Abschreibung im Wachstumschancengesetz können Unternehmen höhere Betriebsausgaben in den ersten Abschreibungsjahren generieren und diese von der Steuer absetzen.
Unter bestimmten Voraussetzungen besteht zudem die Möglichkeit, für bewegliche Güter rückwirkend ab dem 1. Januar 2024 eine Sonderabschreibung von 40 % gewinnmindernd geltend zu machen. Bislang war lediglich eine zwanzigprozentige Sonderabschreibung möglich. Die degressive Abschreibung beträgt maximal 20 Prozent der Anschaffungskosten beziehungsweise des Restbuchwerts. In Kombination mit der Sonderabschreibung können Unternehmen demnach bewegliche Güter mit bis zu 60 % im ersten Jahr abschreiben.
Höhere Umsatz- und Gewinngrenzen bei EÜR
Bislang durften Unternehmen und Freiberufler/innen ihre Gewinne nur dann mithilfe einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) ermitteln, wenn sie im Jahr weniger als 60.000 € Gewinn beziehungsweise 600.000 € Umsatz erwirtschaftet haben. Wer über diesen Grenzen lag, war zur doppelten Buchführung verpflichtet, das heißt, zur Erstellung einer Bilanz inklusive einer Gewinn- und Verlustrechnung. Das Wachstumschancengesetz korrigiert die bis dato gültigen Grenzen auf 80.000 € Gewinn und 800.000 € Umsatz nach oben.
Die Gesetzesänderung gilt auch für Unternehmen, die sich innerhalb der neuen Gewinn- und Umsatzspannen bewegen und vom Finanzamt aufgefordert wurden, zum 1. Januar 2024 zu einer Bilanzierung zu wechseln. Sie haben die Möglichkeit, beim Finanzamt einen Antrag auf Rücknahme der Aufforderung zur Bilanzierung zu stellen.
Höhere Umsatzgrenze bei Ist-Besteuerung
Die beiden möglichen Versteuerungsarten Soll- und Ist-Versteuerung legen fest, wann Unternehmen die angefallene Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen müssen. Bei der Soll-Versteuerung wird die Umsatzsteuer unmittelbar nach Erbringung der Leistung an das Finanzamt weitergeleitet. Dabei spielt es keine Rolle, ob eine Rechnung erst später gestellt und/oder von den Kundinnen und Kunden erst später bezahlt wird. Bislang konnten Unternehmen, deren Umsatz im Vorjahr unter 600.000 € lag, eine Ist-Versteuerung beantragen. Bei dieser muss die Umsatzsteuer erst ans Finanzamt abgeführt werden, wenn die Leistung bezahlt wurde. Das Wachstumschancengesetz hebt die Umsatzgrenze ab 2024 von 600.000 auf 800.000 €. Damit profitieren mehr Unternehmen in Deutschland von der Ist-Versteuerung. Diese sorgt für mehr Liquidität und schützt vor allem kleinere Unternehmen, die bei Zahlungsausfällen nicht mehr zusätzlich durch die Abgabe der Umsatzsteuer belastet werden.
Höhere Geschenke-Freigrenze
Mit dem Wachstumschancengesetz steigt die Freigrenze für Geschenke auf 50 € netto. Bislang konnten Geschenke – zum Beispiel für Geschäftspartner/innen oder Kundinnen und Kunden – nur bis 35 € pro Jahr und Empfänger/in als Betriebsausgabe geltend gemacht werden. Über dieser Freigrenze entfiel der Betriebsausgabenabzug und die Vorsteuererstattung. Nun haben Unternehmen mehr Freiraum bei der Wahl ihrer Geschenke und können sich zudem bestenfalls mehr Vorsteuer erstatten lassen.
Keine Umsatzsteuererklärung von Kleinunternehmen
Für Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer bedeutet das Wachstumschancengesetz eine bürokratische Entlastung: Sie müssen ab dem Steuerjahr 2024 keine Umsatzsteuererklärung mehr einreichen. Dies war bislang Pflicht, da das Finanzamt prüfen wollte, ob die Umsätze innerhalb der gesetzlichen Vorgaben liegen. Kleinunternehmer/innen dürfen im laufenden Geschäftsjahr voraussichtlich nicht mehr als 50.000 € umsetzen. Zudem darf der Umsatz im vorangegangenen Jahr 22.000 € nicht übersteigen. Die Lockerung der Buchführungspflicht durch das Wachstumschancengesetz spart Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmern Zeit und Geld – ersteres vor allem, wenn sie ihre Umsatzsteuererklärung bisher selbst erstellt haben; Letzteres, wenn sie damit Dritte betraut haben.
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Kein Haftungsrisiko bei Fünftelregelung
Auch für die sogenannte Fünftelregelung führt das Wachstumschancengesetz eine Neuerung ein. Arbeitnehmer/innen, die eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit, eine Entschädigung oder Abfindung erhalten, können laut § 34 EStG für diese außerordentlichen Einkünfte von einer ermäßigten Besteuerung profitieren. Mit der Fünftelregelung werden einmalige hohe Einnahmen steuerlich behandelt, als wären sie gleichmäßig auf die nächsten fünf Jahre verteilt. Dies verhindert eine einmalige hohe Steuerbelastung. Bislang konnte die ermäßigte Besteuerung bereits bei der Ermittlung der Lohnsteuer berücksichtigt werden. Dies bedeutete gleichzeitig eine Lohnsteuerhaftung für die Arbeitgeber/innen, wenn bei Lohnsteuerprüfungen festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen für eine ermäßigte Besteuerung nicht gegeben waren. Mit dem Wachstumschancengesetz wird die Fünftelregelung ab 2025 beim Lohnsteuerabzug nicht mehr vorgenommen. Damit besteht für Arbeitgeber/innen kein Haftungsrisiko mehr. Die Arbeitnehmer/innen haben durch die Neuerung keine steuerlichen Nachteile. Für sie ändert sich nur, dass sie die Fünftelregelung mit der Steuererklärung beantragen müssen.
Höherer Verlustvortrag
Wenn die Ausgaben die Einnahmen übersteigen, haben Selbstständige die Möglichkeit, den Verlust eines Steuerjahres im darauffolgenden Jahr mit positiven Einnahmen zu verrechnen. In diesem Fall spricht man von einem Verlustvortrag. Bislang konnte pro Jahr maximal ein Verlustausgleich von 1 Million € zuzüglich 60 % des Gesamteinkommens geltend gemacht werden. Das Wachstumschancengesetz korrigiert den Wert vorübergehend nach oben: In den Jahren 2024 bis 2027 darf der über 1 Million € hinausgehende Verlustvortrag 70 % des Einkommens betragen.
Förderung von E-Autos
Auch die Dienstwagenbesteuerung wird durch das Wachstumschancengesetz angepasst: Nutzen Arbeitnehmer/innen ein Elektrofahrzeug sowohl dienstlich als auch privat, müssen sie lediglich 0,25 % des Bruttolistenpreises versteuern. Eine solche Förderung galt bislang jedoch nur für E-Autos mit einem maximalen Bruttolistenpreis von 60.000 €. Diese Grenze wird im Rahmen des Wachstumschancengesetzes nach oben korrigiert – auf 70.000 €. Die Neuregelung gilt für alle Fahrzeuge, die ab dem 01. Januar 2024 angeschafft wurden.
Erweiterte Forschungsförderung
Ein zentraler Aspekt des Wachstumschancengesetzes ist die Forschungsförderung. Die Forschungszulage wird mit einigen beschlossenen Maßnahmen ausgeweitet. So wird beispielsweise die Bemessungsgrenze der steuerlichen Forschungsförderung von bislang 4 Millionen € auf 10 Millionen € pro Jahr deutlich angehoben. Zudem sind erstmals anteilige Anschaffungs- und Herstellungskosten für Anlagen und Geräte förderfähig, die für Projekte zur Forschung und Entwicklung notwendig sind. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wird die Förderquote von 25 auf 35 % sowie die Forschungszulage auf 3,5 Millionen € pro Jahr erhöht.
Müssen Unternehmen die Leistungen des Wachstumschancengesetz beantragen?
Unternehmen müssen die meisten Leistungen und Vorteile des Wachstumschancengesetzes nicht explizit beantragen. Stattdessen profitieren alle Unternehmen automatisch von den neuen Regelungen, die im Rahmen des Gesetzes eingeführt wurden. Dies gilt unter anderem für die beschlossenen Steuererleichterungen sowie die verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten. Lediglich die Förderungen – zum Beispiel im Bereich Forschung und Entwicklung – müssen beantragt werden.
Der Inhalt dieses Artikels dient nur zu allgemeinen Informations- und Bildungszwecken und sollte nicht als Rechts- oder Steuerberatung interpretiert werden. Stripe übernimmt keine Gewähr oder Garantie für die Richtigkeit, Vollständigkeit, Angemessenheit oder Aktualität der Informationen in diesem Artikel. Sie sollten den Rat eines in Ihrem steuerlichen Zuständigkeitsbereich zugelassenen kompetenten Rechtsbeistands oder von einer Steuerberatungsstelle einholen und sich hinsichtlich Ihrer speziellen Situation beraten lassen.