Wir laden regelmäßig führende Unternehmer/innen sowie Investorinnen und Investoren zu Q&A-Sessions mit der Stripe Atlas-Community ein. John Doerr, Chairman von Kleiner Perkins, beantwortete kürzlich Fragen von Stripe Atlas-Gründerinnen und -Gründern.
Aufbau eines leistungsstarken Unternehmens
Wie können Teams Ziele und Schlüsselergebnisse (OKRs) optimal nutzen?
Definieren wir zuerst einmal, was OKRs überhaupt sind. OKRs sind ein täuschend einfaches Zielsetzungssystem, das von Andy Grove in den 1970er Jahren entwickelt wurde – einem Menschen, der als der beste Manager aller Zeiten gilt.
Andy Grove war sowohl ein hervorragender CEO als auch ein großartiger Lehrer. Eines Tages nahm er mich beiseite und sagte: „John, es ist fast egal, was Sie wissen – auf die Ausführung kommt es an.“ Und natürlich: Bei Intel in der Chipbranche müssen Tausende von Menschen Linien in einen Schaltkreis ätzen, die ein Millionstel Meter breit sind. Und sie müssen es perfekt machen, sonst funktioniert nichts. Die Ausführung macht also wirklich den Unterschied.
Als Leitfaden entwickelte er ein System namens Intel Management by Objectives (Führung durch Zielvereinbarung, MBOs), das ich in OKRs umbenannt habe – Objectives and Key Results (Ziele und Schlüsselergebnisse). Die Ziele sind das Was: Das wollen Sie erreichen. Und die Schlüsselergebnisse sind das Wie: So wollen Sie es erreichen.
Das sind also die OKRs. Und am einfachsten messbar sind sie mit Google Docs. Aber wenn Ihre Organisation wächst und Ihr Team größer wird, gibt es eine Vielzahl von Tools, die Sie verwenden können. Mein Favorit ist Betterworks, mit dem Sie mobile Geräte, die Cloud und soziale Signale nutzen können, um Ihr Team auszurichten.
Eine weitere gute Anlaufstelle ist mein Buch Measure What Matters. Es erzählt die Geschichte einiger Start-ups und einiger großer Unternehmen. Eine davon heißt Zume. Die beiden Mitgründer/innen beschreiben, dass sie am Anfang so gut miteinander harmonierten, dass sie keine Zielvorgaben brauchten. Aber sobald sie anfingen, andere Leute in ihr Team zu holen, fanden sie OKRs unglaublich hilfreich.
Welche Fähigkeiten sollten Unternehmer/innen kultivieren?
In neuen (d. h. kleinen) Unternehmen sind alle im Vertrieb tätig. Und ich finde, dass Verkaufen eine wirklich anspruchsvolle Aufgabe ist – egal, ob Sie im technischen Bereich oder an der Rezeption arbeiten oder für die Auftragsakquise zuständig sind.
Eric Schmidt von Google pflegte zu sagen: „Wachstum verzeiht eine Menge Sünden.“ Aber wenn Ihr Unternehmen nicht wächst, haben Sie ein Problem.
Normalerweise ist das Schwierigste, wirklich gute Leute zu finden, die zum Wachstum Ihres Unternehmens beitragen. Daher empfehle ich Unternehmerinnen und Unternehmern, ihre gesamte Zeit – vom Aufstehen am Morgen bis zu dem Zeitpunkt, an dem kein weiterer Fortschritt möglich ist – mit Recruiting, Vorstellungsgesprächen und dem Aufbau diverser Teams zu verbringen.
Das gilt jedoch nicht für jedes Unternehmen. Viele Unternehmen sind nicht dafür gedacht, von großen Teams geführt zu werden. Bei Familien- oder Einzelunternehmen ist das Recruiting nicht so wichtig.
Wie können Gründer/innen besser im Recruiting werden?
Sie sollten dafür sorgen, dass Sie eine sehr klare Botschaft über Ihr eigenes Unternehmen haben. Und Sie sollten sie testen, um sicherzustellen, dass auch andere begreifen, was Ihr Unternehmen ausmacht und warum es wichtig ist. Sie sollten für jede Stelle, die Sie besetzen wollen, eine Stellenausschreibung verfassen.
Unternehmen passen sich an die Talente der dort arbeitenden Menschen an, aber Sie sollten sich darüber im Klaren sein, wonach Sie suchen. Im Idealfall sind Sie nicht auf sich allein gestellt, sondern haben Hilfe bei Einstellungen, z. B. von einem/einer Mitgründer/in. Die Verantwortung für das Einstellen von Mitarbeitenden sollten Sie nicht allein tragen; das muss eine Teamleistung sein.
Ratschläge zur Geldbeschaffung
Welche nicht offensichtlichen oder häufig übersehenen Fragen sollten Gründer/innen Investorinnen und Investoren bei der Mittelbeschaffung stellen?
Ich würde Gründerinnen und Gründern raten, sich von Investorinnen und Investoren nicht einschüchtern zu lassen. Vielmehr sollten sie ein Bewerbungsgespräch mit ihnen führen, als ob sie eine Stelle als VP oder Partner/in für ihr Unternehmen zu vergeben hätten. Einer der Unterschiede ist, dass man Investorinnen und Investoren nur schwer entlassen kann, wenn es nicht funktioniert.
Das Gespräch ist ein Maß für die Qualität, mit der Sie die Beziehung angehen wollen. Mich würde in der Situation der Gründer/innen die Erfahrung der Investorinnen und Investoren interessieren – haben sie schon einmal ein Unternehmen wie Ihres aufgebaut oder daran mitgewirkt? Ich würde sie fragen, wie sie beim Aufbau des Unternehmens helfen wollen. Ich würde nach Referenzen fragen, die ich überprüfen kann.
Ich würde sie fragen, ob sie nach der ersten Investition zu weiteren Investitionen bereit sind. Ich würde ein sehr langes, ausführliches Gespräch mit mehreren Investorinnen und Investoren führen. Und ich möchte hier realistisch sein – all das gilt nur, wenn Sie das Glück haben, überhaupt Investoren zu finden.
Wie können Unternehmen außerhalb der USA mit US-Investoren Kontakt aufnehmen?
Das ist ein schwieriges Problem. Unterschiedliche Investorinnen und Investoren haben unterschiedliche Stile und Ansätze. Wir investieren in Unternehmer auf der ganzen Welt. Aber wir möchten denjenigen, in die wir investieren, auch physisch nahe sein. Oder wir wollen in Partnerschaft mit lokalen Investorinnen und Investoren investieren. Meiner Meinung nach sollten Sie alles in Ihrer Macht Stehende tun, um vor Ort eine Person zu finden, die selbst Erfolg in der Geschäftswelt vorzuweisen hat oder zu investieren bereit ist und Ihnen beim Aufbau Ihres Unternehmens helfen kann.
Was sind die Dos und Don'ts bei der Zusammenarbeit mit Investorinnen und Investoren?
Was die Dos betrifft, würde ich mich bei Investorinnen und Investoren vorstellen lassen. Wenn Sie können, erstellen Sie eine Liste von Zielinvestorinnen und -investoren und fragen Sie andere, wer ihre Zielpersonen wären. Finden Sie dann heraus, mit welchen Unternehmerinnen und Unternehmern, Anwältinnen und Anwälten, Investorinnen und Investoren und anderen Dienstleisterinnen und Dienstleistern sie zusammenarbeiten und bitten Sie um eine Vorstellung. Eine freundliche Vorstellung ist weitaus wirkungsvoller als bloß eine unangemeldete Kontaktaufnahme.
Sobald ein Termin für ein persönliches Treffen steht, würde ich versuchen, ein Telefonat vor dem eigentlichen Treffen zu vereinbaren. Sagen Sie einfach: „Hallo, ich komme zu Ihnen; wir haben diesen Termin vereinbart. Könnten Sie mit vorab ein paar Fragen beantworten? Ich möchte Ihnen etwas über das Unternehmen erzählen, aber was interessiert Sie dabei besonders?“ Das kann den Verlauf des Treffens erheblich verbessern.
Der letzte Punkt: Formulieren Sie deutlich, was Sie erwarten und wie die nächsten vereinbarten Schritte aussehen sollen. Sonst haben Sie sich am Ende vielleicht nur nett unterhalten, aber keine klare Vorstellung vom Zeitplan und den nächsten Schritten für das weitere Vorgehen.
Was die Don'ts betrifft, ist das wortwörtliche Ablesen einer Menge Folien in einem Pitch-Meeting eine Katastrophe. Ich finde, Sie sollten in der Lage sein, Ihr Wertversprechen in 100 Worten oder weniger auf einer einzigen Folie darzustellen.
Außerdem interessiert mich persönlich die Antwort auf die Frage: „Was treibt Sie an?“
Wann und wie sollten Gründer/innen diese Frage beantworten?
Ich finde es großartig, wenn auf einer Folie steht: „Das sind unsere Mission und unsere Werte.“ Als Google zu mir kam, war ihnen ihre Mission klar: „Sämtliche Informationen der Welt organisieren und für jeden frei zugänglich machen, überall und auf jedem Gerät“ – oder etwas in der Art. So war es am Anfang und dabei sind sie auch geblieben.
Jeff Bezos' Ziel war es, das kundenorientierteste Geschäft der Welt aufzubauen. Sein Engagement für die Kundinnen und Kunden war klar und deutlich zu spüren.
Ich möchte die Ansprüche aber auch nicht zu hoch schrauben. Viele Menschen gründen Unternehmen, damit sie Geld verdienen und ihre Familie ernähren können.
Formulieren Sie einfach klar und deutlich, was Sie antreibt, egal was es ist.
In welche Art von Unternehmen investieren Sie?
Ich bin als Investor eher engagiert und praktisch. Ich möchte dem Ort der Investitionen physisch nah sein. Wenn ich einen Anruf erhalte und höre, dass ein VP eines Unternehmens zurückgetreten ist oder über Rücktritt nachdenkt, möchte ich hinfahren und die Situation zu retten versuchen.
Was die Bereiche unserer Investitionen betrifft, unterstützt Kleiner Perkins Tech-Unternehmen – sowohl in der Frühphase als auch später. Die von uns unterstützten Unternehmen reichen von neuen KI-basierten Diensten, die Autoherstellern beim Entwickeln von Routing-Algorithmen für selbstfahrende Autos helfen, bis hin zu dem großen und erfolgreichen Musikdienst Spotify. Wir investieren in Softwaretechnologien, Mobiltechnologien, alle Arten von Handel, maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz, Direct-to-Consumer-Marken und Life Sciences.
Persönlich interessiere ich mich besonders für die Transformation des Gesundheitswesens – die Nutzung von Daten, um eine qualitativ hochwertige und erschwingliche Gesundheitsversorgung für alle zu ermöglichen – und für Innovationen zur Bewältigung unserer Klimakrise.
Die Palette ist also ziemlich breit. Es gibt aber auch Investitionen, die wir bewusst nicht tätigen. Wir investieren nicht in konventionelle Einzelhandelsunternehmen, Immobilien oder Unternehmen der Schwerindustrie.
Karrierereflexionen
Sie haben mit einigen der erfolgreichsten Unternehmerinnen und Unternehmern unserer Zeit zusammengearbeitet. Was haben Sie aus der Zusammenarbeit mit ihnen gelernt?
Was am meisten zählt, ist die Leidenschaft der Unternehmer/innen. Ob sie sich darauf konzentrieren, mit einem hervorragenden Team einen großen, ungedeckten Marktbedarf zu befriedigen oder nicht. Bei der Innovation kann es sich um eine zugrunde liegende Technologie, ein Geschäftsmodell oder sogar um die Funktionsweise des Produkts handeln.
Ich persönlich suche nach Unternehmerinnen und Unternehmern, die sich der technischen Exzellenz verschrieben haben und die besessen von ihren Kundinnen und Kunden sind (anstatt von der Konkurrenz). Außerdem möchte ich, dass sie vernunftwidrige, kühne Ziele verfolgen – mit durch und durch vernünftigen Finanzen. Unternehmen können sowohl zu viel als auch zu wenig Geld beschaffen.
Ich suche nach dem Sinn für Dringlichkeit, dem Ehrgeiz und der Vision. Außerdem suche ich nach der Bescheidenheit und der Zielstrebigkeit, die sie ihr Team über sich selbst stellen lassen. Ich suche eine missionarische Einstellung, keine Söldnermentalität.
Was ist die größte Veränderung, die Sie bei den erfolgreichen Unternehmerinnen und Unternehmern beobachtet haben, die Sie unterstützt haben?
Die größte Veränderung, die ich beobachtet habe, ist ihre Einstellung zu ihren Teams. Für viele, wenn nicht sogar für die meisten von ihnen ist es das erste Mal, dass sie ein Team aufbauen, andere Leute für Arbeiten einstellen und sie zu den notwendigen Opfern inspirieren, die die Gründung eines sinnvollen neuen Unternehmens verlangt. Start-ups sind hart. Sie sind hässlich. Und so habe ich beobachtet, wie die Besten der Besten in ihrer Fähigkeit, ein Team aufzubauen und zu leiten, wirklich gewachsen sind.
Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, was sind die wichtigsten Lektionen, die Sie gelernt haben?
Ich denke, das Wichtigste ist die Macht der Menschen. Wenn Sie die Menschen an die erste Stelle setzen und bei all Ihren Entscheidungen in den Mittelpunkt stellen, wenn Sie die Menschen wirklich mögen und ihnen helfen wollen, dann wird es in der Regel gut laufen. Und das gilt nicht nur für Unternehmen, sondern für das Leben allgemein.
Ich glaube, dass die Familie an erster Stelle steht und dass man dem Leben nur durch andere einen Sinn geben kann. Das ist also eine wirklich wichtige und wegweisende Lektion.
Ich finde außerdem, dass Enthusiasmus, Optimismus, Humor, Service – all das sind starke Eigenschaften. Damit kann man Menschen dabei helfen, mit weniger, als man für möglich hält, mehr zu erreichen, als man für möglich hält. Das ist übrigens meine Definition des Unternehmertums – Unternehmer/innen sind Menschen, die mit weniger, als man für möglich hält, mehr erreichen, als man für möglich hält.
In der Venture-Branche dreht sich alles um die Unternehmer/innen. Die Venture Capitalists sollten eigentlich in den Hintergrund treten oder ganz von der Bühne verschwinden. Ich denke, wir schenken den VCs zu viel Aufmerksamkeit.
Irgendwelche abschließenden Gedanken?
Als Gründer/in befinden Sie sich entweder gerade mitten in einer sehr schwierigen Unternehmung oder stehen kurz davor. Begeben Sie sich auf diese Reise in dem Wissen, dass sie sehr demütigend und sehr erhebend ist.
Und ich möchte Sie dazu anregen, mein Buch Measure What Matters zu lesen. Darin finden Sie ein Dutzend Geschichten über Unternehmer/innen, die große neue Unternehmen aufgebaut haben, und über sich abmühende Start-ups.
Sich Ziele zu setzen, sich Ihrer Werte bewusst zu sein und Ihre Ziele und Schlüsselergebnisse aufzuschreiben, ist meiner Meinung nach eines der wirklich wichtigen Dinge, die Sie tun können und sollten – und damit meine ich nicht, dass Sie eine Liste machen, sie zweimal durchlesen und anschließend weglegen. Diese Dinge sollten Ihr Leitstern sein. Teilen Sie sie mit allen, mit denen Sie zusammenarbeiten, und dann lassen Sie diese Menschen dasselbe tun.
Das ist kein Ersatz für ein großartiges, einem Marktbedarf wirklich entsprechendes Produkt oder für eine starke Unternehmenskultur oder ein hervorragendes Managementteam. Aber wenn diese Grundlagen vorhanden sind, können OKRs Sie in ungeahnte Höhen bringen.