Deutsche Unternehmen sind gesetzlich dazu verpflichtet, am Jahresende eine Bilanz aufzustellen. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Bilanz ist das Umlaufvermögen. In diesem Artikel erfahren Sie, was das Umlaufvermögen ist, was es beinhaltet und wie es sich vom Anlagevermögen unterscheidet. Zudem erklären wir, weshalb das Umlaufvermögen für Unternehmen in Deutschland wichtig ist und wie sich die deutschen Anforderungen von internationalen Vorgaben unterscheiden. Am Ende unseres Artikels finden Sie darüber hinaus Informationen zur Berechnung sowie zwei konkrete Beispiele.
Worum geht es in diesem Artikel?
- Definition: Umlaufvermögen einfach erklärt
- Was ist der Unterschied zwischen Anlagevermögen und Umlaufvermögen?
- Was beinhaltet das Umlaufvermögen?
- Warum ist das Umlaufvermögen für Unternehmen in Deutschland wichtig?
- Deutsche vs. internationale Anforderungen an das Umlaufvermögen
- Wie kann man das Umlaufvermögen berechnen?
- Beispiele für Umlaufvermögen
Definition: Umlaufvermögen einfach erklärt
Das Umlaufvermögen umfasst in der Unternehmensbilanz alle Vermögenswerte, die zur Veräußerung, Verarbeitung oder zum Verbrauch bestimmt sind. Sie verbleiben nicht dauerhaft im Betrieb, sondern werden kurz- oder mittelfristig in andere Vermögenswerte oder liquide Mittel umgewandelt. Das Umlaufvermögen ist somit durch eine kurze Nutzungsdauer und eine hohe Liquidität gekennzeichnet.
Was ist der Unterschied zwischen Anlagevermögen und Umlaufvermögen?
Das Gesamtvermögen eines Unternehmens gliedert sich in zwei Hauptkategorien: Anlagevermögen und Umlaufvermögen. Die beiden Vermögensarten übernehmen unterschiedliche Funktionen im Geschäftsbetrieb und unterliegen jeweils speziellen bilanziellen sowie wirtschaftlichen Vorschriften.
Im Gegensatz zum Umlaufvermögen ist das Anlagevermögen langfristig im Unternehmen gebunden und dient dem Geschäftsbetrieb über einen längeren Zeitraum. Es umfasst unter anderem:
- Sachanlagen wie Maschinen, Fahrzeuge oder Büroausstattungen
- immaterielle Vermögensgegenstände wie Patente, Lizenzen und Markenrechte
- Finanzanlagen wie Beteiligungen, Wertpapiere oder Anleihen
Das Anlagevermögen ist in § 247.2 HGB klar definiert. Das Umlaufvermögen wird durch das Ausschlussprinzip bestimmt und umfasst alle Vermögenswerte, die nicht zum Anlagevermögen gehören.
Was beinhaltet das Umlaufvermögen?
In § 266 des Handelsgesetzbuchs wird das Umlaufvermögen als Teil der Bilanzgliederung detailliert beschrieben. Dort werden die einzelnen Posten des Umlaufvermögens aufgeführt und nach ihrer Art unterteilt.
Was fällt unter das Umlaufvermögen
Vorräte |
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Forderungen und sonstige Vermögens-gegenstände |
|
Wertpapiere |
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Liquide Mittel |
|
Nicht alle Wertpapiere werden dem Umlaufvermögen zugeordnet. Sie erscheinen nur dann im Umlaufvermögen der Bilanz, wenn sie als kurzfristige Liquiditätsreserve dienen oder vom Unternehmen nur vorübergehend gehalten werden sollen. Ob ein Wertpapier im Umlauf- oder im Anlagevermögen verbucht wird, hängt also vom Zweck ab, den das Unternehmen beim Erwerb verfolgt.
Warum ist das Umlaufvermögen für Unternehmen in Deutschland wichtig?
Unternehmen in Deutschland sind nach § 242 und § 264 HGB dazu verpflichtet, einen Jahresabschluss zu erstellen. Dieser besteht aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) sowie gegebenenfalls einem Anhang und einem Lagebericht. Die Bilanz gibt einen umfassenden Überblick über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens. Das Umlaufvermögen nimmt hierbei eine zentrale Rolle ein, denn es bildet einen wesentlichen Teil der Vermögenswerte ab. Eine korrekte Bilanzierung des Umlaufvermögens ist folglich unerlässlich, um den gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden.
Darüber hinaus ist das Umlaufvermögen unter anderem aufgrund der folgenden Punkte für Unternehmen in Deutschland von Bedeutung:
Liquiditätssicherung
Jedes Unternehmen hat laufende Verpflichtungen, die innerhalb kurzer Zeit beglichen werden müssen. Hierzu zählen Löhne, Lieferantenrechnungen, Steuern oder Kredite. Das Umlaufvermögen stellt die Liquidität sicher, die zur Deckung dieser Verbindlichkeiten erforderlich ist. Ohne ausreichendes Umlaufvermögen kann es zu Engpässen kommen, die die Zahlungsfähigkeit gefährden. Nicht oder zu spät beglichene Verbindlichkeiten können zudem das Vertrauen von Geschäftspartnerinnen und -partnern sowie Investorinnen und Investoren beeinträchtigen.
Stabilität und Flexibilität
Unternehmen, die ihre Finanzflüsse vorausschauend planen und ihr Umlaufvermögen effizient einsetzen, können unnötige Kredite und damit Zinskosten vermeiden. Sie sind zudem besser in der Lage, auf saisonale Schwankungen, plötzliche Marktentwicklungen oder unerwartete Kosten zu reagieren. Eine vorausschauende Planung des Umlaufvermögens stärkt somit die finanzielle Stabilität und ermöglicht eine flexiblere Unternehmensführung.
Rentabilität
Ein zu geringes Umlaufvermögen kann zu Zahlungsausfällen führen, während zu viel Umlaufvermögen die Rentabilität mindert. Optimiertes Umlaufvermögen sorgt dafür, dass Unternehmen ihre Investitionen in Vorräte und Forderungen schnell in liquide Mittel umwandeln. Je schneller dieses Kapital verfügbar ist, desto mehr kann ein Unternehmen in den Betrieb reinvestieren, ohne unnötig Kapital zu binden. Eine effiziente Nutzung des Umlaufvermögens kann somit die Rentabilität steigern.
Ausgewogenheit
In Deutschland zählen 3,4 Millionen Unternehmenzu den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Dies sind 99,3 % aller deutschen Betriebe. Gerade für diese ist eine ausgewogene Verwaltung des Umlaufvermögens essenziell, da sie auf eine ausbalancierte Liquiditätsplanung angewiesen sind. Dies gilt insbesondere für Branchen mit kurzfristigen Produktionszyklen wie dem Einzelhandel, der Fertigungsindustrie oder der Dienstleistungsbranche. Denn zu hohe Bestände binden Kapital, das anderweitig verwendet werden könnte. Zu niedrige Bestände können zu Produktionsengpässen oder Lieferverzögerungen führen.
Deutsche vs. internationale Anforderungen an das Umlaufvermögen
Die Vorgaben der deutschen Rechnungslegung für das Umlaufvermögen ergeben sich aus dem Handelsgesetzbuch und sind für die meisten Unternehmen in Deutschland verbindlich. Für kapitalmarktorientierte Unternehmen gelten jedoch die internationalen Rechnungslegungsstandards (International Financial Reporting Standards, kurz IFRS). Nicht kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen können ihren Konzernabschluss freiwillig nach IFRS aufstellen. Welche ergänzenden Vorschriften in diesem Fall gelten, gibt § 315a HGB vor.
Das HGB dient vor allem dem Gläubigerschutz und stellt eine vorsichtige Bewertung von Vermögenswerten und Schulden sicher. Die IFRS dagegen zielen primär auf Investorenschutz ab und streben eine möglichst realistische Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage an. Dieser Unterschied zeigt sich an mehreren zentralen Bilanzierungs- und Bewertungsaspekten.
Die wichtigsten Unterschiede zwischen HGB und IFRS beim Umlaufvermögen
Nachfolgend finden Sie einige wesentliche Unterschiede zwischen HGB und IFRS:
Bewertung von Vermögenswerten
Nach dem deutschen Handelsrecht werden Vermögenswerte zu den Anschaffungskosten in die Bilanz aufgenommen. Die IFRS schreiben hingegen vor, Marktwerte anzusetzen.
Goodwill
Ein Goodwill ist der zusätzliche Wert eines Unternehmens, der über die materiellen Dinge wie Gebäude oder Maschinen hinausgeht. Er entsteht beispielsweise durch Faktoren wie Markenbekanntheit oder Kundenbeziehungen. Nach den IFRS muss der Goodwill in der Bilanz aktiviert werden und wird nur dann abgeschrieben, wenn der Wert des Unternehmens sinkt. Das HGB schreibt dagegen vor, dass der Goodwill zwingend über eine festgelegte Zeit abgeschrieben werden muss – auch wenn der Wert des Unternehmens nicht sinkt.
Selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte
Das HGB erlaubt es grundsätzlich nicht, selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter wie Lizenzen, Marken oder Software in die Bilanz aufzunehmen. Sind diese Güter Teil des Umlaufvermögens, besteht jedoch ein Wahlrecht. Nach IFRS müssen Unternehmen solche immateriellen Vermögenswerte aktivieren. Voraussetzung hierfür ist, dass sich daraus ein wirtschaftlicher Nutzen für das Unternehmen ergibt und dieser verlässlich bewertet werden kann.
Gewinnrealisierung
Nach IFRS dürfen Unternehmen unter bestimmten Umständen noch nicht realisierte Gewinne ausweisen. Zum Beispiel wird der Gewinn aus einer Auftragsfertigung entsprechend des Fertigungsgrades schrittweise in die Bilanz aufgenommen. Im HGB werden Gewinne hingegen erst erfasst, wenn sie tatsächlich realisiert sind. Verluste müssen im Gegensatz dazu bereits bei ihrem Bekanntwerden berücksichtigt werden.
Steuerliche Bemessung
Der HGB-Jahresabschluss dient zugleich als Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung des Unternehmens. Der IFRS-Abschluss wird hingegen nicht für steuerliche Zwecke herangezogen.
Wie kann man das Umlaufvermögen berechnen?
In der Bilanz steht das Umlaufvermögen auf der Aktivseite unterhalb des Anlagevermögens (§ 247 Absatz 1 HGB). Denn die Bilanz ist so geordnet, dass die Vermögenswerte nach unten hin immer leichter in liquide Mittel umgewandelt werden können. Um das Umlaufvermögen zu ermitteln, werden alle dazugehörigen Posten erfasst und anschließend addiert.
Zusätzlich wird in manchen Fällen das Nettoumlaufvermögen berechnet, indem von den kurzfristigen Vermögenswerten die kurzfristigen Verbindlichkeiten abgezogen werden. Das Nettoumlaufvermögen gibt an, welcher Teil der kurzfristigen Vermögenswerte einem Unternehmen tatsächlich zur freien Verfügung steht.
Stripe Revenue Recognition unterstützt Sie dabei, das Umlaufvermögen korrekt zu berechnen, indem es sämtliche Umsätze der korrekten Buchhaltungsperiode zuordnet. Das heißt, ein Umsatz wird erst dann als realisiert verbucht, wenn er tatsächlich erwirtschaftet wurde. Auf diese Weise erhalten Sie verlässliche Umsatzdaten für die korrekte Gewinnermittlung. Darüber hinaus reduziert Revenue Recognition das Risiko von Buchungsfehlern und versäumten Transaktionen.
Beispiele für Umlaufvermögen
Anbei finden Sie zwei fiktive Beispiele für Umlaufvermögen in der der Bilanzgliederung nach § 266 HGB.
Beispiel 1: kleines Einzelhandelsunternehmen
Kategorie |
Posten |
Sachanlagen |
Wert |
---|---|---|---|
Vorräte |
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe |
Rohstoffe |
10.000 € |
Unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen |
|||
Fertige Erzeugnisse und Waren |
Warenbestand |
50.000 € |
|
Geleistete Anzahlungen |
|||
Forderungen und sonstige Vermögens-gegenstände |
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen |
Offene Forderungen |
15.000 € |
Forderungen gegen verbundene Unternehmen |
|||
Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungs-verhältnis besteht |
|||
Sonstige Vermögensgegenstände |
|||
Wertpapiere |
Anteile an verbundenen Unternehmen |
||
Sonstige Wertpapiere |
Kurzfristige Wertpapiere |
20.000 € |
|
Liquide Mittel |
Kassenbestand |
Kassenbestand |
5.000 € |
Bankguthaben |
Bankguthaben |
25.000 € |
|
Schecks |
|||
Gesamtumlaufvermögen |
125,000 € |
Beispiel 2: mittelgroßes Maschinenbauunternehmen
Kategorie |
Posten |
Sachanlagen |
Wert |
---|---|---|---|
Vorräte |
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe |
Rohstoffe |
100.000 € |
Unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen |
Unfertige Maschinen |
150.000 € |
|
Fertige Erzeugnisse und Waren |
Fertige Maschinen |
200.000 € |
|
Geleistete Anzahlungen |
|||
Forderungen und sonstige Vermögens-gegenstände |
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen |
Offene Forderungen |
500.000 € |
Forderungen gegen verbundene Unternehmen |
Offene Forderungen |
50.000 € |
|
Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungs-verhältnis besteht |
|||
Sonstige Vermögensgegenstände |
Mietforderungen |
10.000 € |
|
Wertpapiere |
Anteile an verbundenen Unternehmen |
Anteile |
100.000 € |
Sonstige Wertpapiere |
Kurzfristige Wertpapiere |
50.000 € |
|
Liquide Mittel |
Kassenbestand |
Kassenbestand |
10.000 € |
Bankguthaben |
Bankguthaben |
300.000 € |
|
Guthaben bei Kreditinstituten |
|||
Schecks |
|||
Gesamtumlaufvermögen |
1.470,000 € |
Der Inhalt dieses Artikels dient nur zu allgemeinen Informations- und Bildungszwecken und sollte nicht als Rechts- oder Steuerberatung interpretiert werden. Stripe übernimmt keine Gewähr oder Garantie für die Richtigkeit, Vollständigkeit, Angemessenheit oder Aktualität der Informationen in diesem Artikel. Sie sollten den Rat eines in Ihrem steuerlichen Zuständigkeitsbereich zugelassenen kompetenten Rechtsbeistands oder von einer Steuerberatungsstelle einholen und sich hinsichtlich Ihrer speziellen Situation beraten lassen.