Seit 1995 werden in Deutschland kleinere und mittlere Änderungen im Steuerrecht, die nicht in großen Steuerreformgesetzen geregelt werden, in Form eines Jahressteuergesetzes vorgenommen. Es fasst sämtliche steuerliche Maßnahmen eines Jahres zusammen und passt das Steuerrecht auf aktuelle Entwicklungen in der Wirtschaft, der Steuerpolitik oder der Rechtsprechung an. Zuletzt wurde das Jahressteuergesetz 2024 veröffentlicht. In diesem Artikel erfahren Sie, welche wesentlichen Änderungen das Jahressteuergesetz 2024 für Unternehmen in Deutschland enthält und wie diese in der Praxis umgesetzt werden können.
Worum geht es in diesem Artikel?
- Was ist das Jahressteuergesetz 2024?
- Überblick über die wichtigsten Änderungen im Jahressteuergesetz 2024
- Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Was ist das Jahressteuergesetz 2024?
Das Jahressteuergesetz 2024 (JStG) ist ein Artikelgesetz, dessen Änderungen alle Bereiche des deutschen Steuerrechts betreffen. Ein Artikel- oder Mantelgesetz dient in der Gesetzgebungspraxis des Bundestages dazu, mehrere Gesetze gleichzeitig zu ändern oder zu erlassen. Das JStG 2024 umfasst rund 130 Einzelmaßnahmen, die sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen betreffen. Die zahlreichen Regelungen sind thematisch nicht miteinander verbunden und beinhalten in vielen Fällen vor allem technische Änderungen.
Ziel des Gesetzes ist es, steuerliche Rahmenbedingungen an aktuelle wirtschaftliche, gesellschaftliche und technologische Entwicklungen anzupassen und das Steuersystem zu modernisieren. So soll beispielsweise die Digitalisierung beschleunigt und Bürokratie abgebaut werden. Zudem mussten Gesetze geändert werden, um sie mit dem europäischen Steuerrecht sowie Rechtsprechungen des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs zu harmonisieren. Darüber hinaus wurden mit dem Jahressteuergesetz 2024 redaktionelle Fehler sowie Verfahrens- und Zuständigkeitsfragen korrigiert.
Der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung wurde durch zahlreiche Änderungsanträge im Finanzausschuss des Bundestages erheblich überarbeitet. Nachdem der Bundesrat am 22.11.2024 dem Jahressteuergesetz 2024 seine Zustimmung gegeben hat, wurde es am 05.12.2024 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.
Überblick über die wichtigsten Änderungen im Jahressteuergesetz 2024
Im Folgenden finden Sie eine Auswahl der wichtigsten Änderungen des Steuerrechts für Unternehmen im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024:
Reform der Kleinunternehmerregelung
Bislang konnte die Kleinunternehmerregelung nach §§ 19 und 19a UStG nur von Unternehmen in Anspruch genommen werden, die ihren Sitz in Deutschland haben. Mit der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 2024 können nun auch Unternehmen, die in anderen EU-Staaten ansässig sind, die Regelung in Deutschland nutzen.
Zudem haben auch in Deutschland ansässige Unternehmer/innen die Möglichkeit, die Steuerbefreiung in einem anderen Mitgliedsstaat der EU zu beantragen. Hierfür wird ein spezielles Meldeverfahren beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eingeführt. Teilnehmende Unternehmen sind gemäß § 19a Abs. 3 UStG verpflichtet, für jedes Kalendervierteljahr eine Umsatzmeldung zu erstellen. Diese muss innerhalb eines Monats nach Quartalsende in elektronischer Form mittels des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes an das BZSt übermittelt werden. Mit der Neuregelung wird die EU-Richtlinie 2020/285 in nationales Recht übersetzt. Ziel ist es, den grenzüberschreitenden Handel zu fördern.
Der Status als Kleinunternehmer/in und die damit verbundene Umsatzsteuerbefreiung setzt voraus, dass die Umsätze des Vorjahres 25.000 € und im laufenden Jahr 100.000 € nicht übersteigen. Bislang lagen die Grenzwerte bei 22.000 € beziehungsweise 50.000 €. Damit haben deutlich mehr Unternehmen die Möglichkeit, von der Umsatzsteuerbefreiung zu profitieren.
Darüber hinaus sind Kleinunternehmer/innen von der Pflicht zur E-Rechnung ausgenommen. Sie müssen E-Rechnungen empfangen und weiterverarbeiten können, sind jedoch nicht verpflichtet, diese selbst auszustellen.
Vorsteuerabzug bei Ist-Versteuerung
Ein Abzug der Vorsteuer aus einer Rechnung von Ist-Versteuerern ist künftig erst dann möglich, wenn die Rechnung beglichen wurde. Bisher durften Unternehmen die Vorsteuer aus Eingangsleistungen bereits abziehen, wenn sie eine ordnungsgemäße Rechnung erhalten haben. Dies könnte zu einer verzögerten Liquiditätsentlastung führen, da Unternehmen länger auf den Vorsteuerabzug warten müssen. Bei der ursprünglichen Regelung spielte der Zeitpunkt der Zahlung demnach keine Rolle – es sei denn, es handelt sich um Anzahlungs- oder Abschlagsrechnungen.
Die Neuregelung gilt ab dem 1. Januar 2028. Ab dann sind Rechnungssteller/innen, die ihre Leistungen nach vereinnahmten Entgelten versteuern (Ist-Versteuerung), zudem verpflichtet, dies auf ihren Rechnungen auszuweisen. Hierfür wird eine neue Rechnungspflichtangabe eingeführt.
Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften
Das Jahressteuergesetz 2024 ermöglicht es mit einer Neuregelung im Einkommensteuergesetz, dass Wirtschaftsgüter zwischen Personengesellschaften, die identische Beteiligungen haben, zum Buchwert übertragen werden können. Die Regelung setzt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts um und gilt für alle offenen Fälle. Allerdings kann der Buchwertansatz in Einzelfällen auch nachteilig für die Mitunternehmer/innen sein. Deshalb gibt es eine Vertrauensschutzregelung für Übertragungen, die vor dem 12. Januar 2024 stattfanden. In diesen Fällen können die Mitunternehmer/innen gemeinsam beantragen, dass die neue Regelung nicht angewendet wird.
Die Regelung zur Übertragung von Wirtschaftsgütern gilt nur, wenn die beteiligten Personengesellschaften de facto identische Beteiligungen haben. Eine Beteiligung ist nicht mehr identisch, wenn eine natürliche Person oder eine Körperschaft nur an einer der beiden Gesellschaften beteiligt ist – auch wenn dies nur wirtschaftlich oder als Treuhänder/in erfolgt.
Null-Prozent-Beteiligungen sind als Ausnahmefälle jedoch unproblematisch. Diese liegen vor, wenn eine Person oder Körperschaft mit einer Beteiligung von weniger als 1 % an einer der beiden Gesellschaften beteiligt ist. Diese unwesentliche Art der Beteiligung hat keine Auswirkungen auf die oben beschriebene Regelung hat, die ansonsten erfordert, dass die Beteiligungen in beiden Gesellschaften identisch sind.
Änderungen bei der Gewerbesteuer
Mit der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 2024 gibt es für Unternehmen zwei wichtige Änderungen im Bereich der Gewerbesteuer. Zum einen wird die gewerbesteuerliche Grundbesitzkürzung, die Unternehmen ermöglicht, einen Teil ihres Gewinns beim Besitz von Immobilien von der Gewerbesteuer abzuziehen, nun an die tatsächlich gezahlte Grundsteuer gekoppelt. Unternehmen müssen somit die Grundsteuer als Betriebsausgabe verbuchen, um von dieser Kürzung zu profitieren.
Zum anderen werden in Folge des JStG 2024 Einkünfte, die Unternehmen aus passiven ausländischen Betriebsstätten erzielen, künftig genauso behandelt wie Einkünfte aus inländischen Betriebsstätten. Passive ausländische Betriebsstätten sind Betriebe, die ein Unternehmen im Ausland unterhält, die jedoch keine aktiven wirtschaftlichen Tätigkeiten ausführen. Stattdessen erzielen sie ihre Einkünfte hauptsächlich aus passiven Quellen wie Zinsen, Lizenzgebühren oder Dividenden.
Das heißt, auch wenn Deutschland aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens normalerweise nicht das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte hat, werden sie nun trotzdem so behandelt, als kämen sie aus einer deutschen Betriebsstätte. Die Regelung gilt auch für Unternehmen, die nur beschränkt in Deutschland steuerpflichtig sind.
Grunderwerbsteuer: Definition der Zugehörigkeit eines Grundstücks
Das Jahressteuergesetz 2024 definiert die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Gesellschaftsvermögen. Es gilt, dass ein Grundstück der Gesellschaft gehört, die zuletzt einen relevanten Erwerb des Grundstücks vorgenommen hat. Dies meint die Verwirklichung eines Grundtatbestands nach § 1 Abs. 1 GrEStG, auf den keine Rückgängigmachung des Erwerbs gefolgt ist (siehe § 16 Abs. 1 GrEStG).
Änderungen bei der Körperschaftssteuer
Durch die Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 2024 muss bei der Umwandlung einer Körperschaft für die neu entstehende Körperschaft keine Anfangsfeststellung des steuerlichen Einlagekontos mehr durchgeführt werden. Der Einlagenbestand wird damit als Teil des laufenden Wirtschaftsjahres betrachtet und kann im ersten Jahr nach der Umwandlung nicht für Leistungsverrechnungen genutzt werden.
Bei einer sogenannten mittelbaren Organschaft müssen zudem Veränderungen der Abführungen, also Minder- oder Mehrabführungen, auch auf der Ebene der Zwischengesellschaft nachvollzogen werden. Das bedeutet: Wenn ein Unternehmen indirekt zu einer Firmengruppe gehört, muss bei verdeckten Einlagen oder Gewinnausschüttungen schrittweise erfasst werden, wie sich das steuerliche Einlagekonto verändert. Erhöhungen beziehungsweise Verringerungen des Einlagekontos müssen nicht nur bei der Hauptgesellschaft, sondern auch bei der zwischengeschalteten Firma berücksichtigt werden. Diese Regelung gilt rückwirkend ab 2022.
Relevante Änderungen im Jahressteuergesetz 2024 für Unternehmen
Gesetzesänderung |
Gilt ab |
---|---|
Reform der Kleinunternehmerregelung |
1.1.2025 |
Vorsteuerabzug bei Ist-Versteuerung |
1.1.2028 |
Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften |
1.1.2025 |
Änderungen bei der Gewerbesteuer |
1.1.2025 |
Grunderwerbsteuer: Definition der Zugehörigkeit eines Grundstücks |
6.12.2024 |
Körperschaftsteuer: Wegfall der Anfangsfeststellung bei Umwandlungen |
1.1.2025 |
Körperschaftsteuer: Erfassung von Minder- und Mehrabführungen auf Ebene der Zwischengesellschaft bei mittelbarer Organschaft |
Rückwirkend ab 1.1.2022 |
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Die Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 2024 beinhaltet für Unternehmen in Deutschland zahlreiche Änderungen, die sowohl steuerliche Pflichten als auch betriebliche Prozesse betreffen. Es empfiehlt sich, die relevanten Änderungen schnellstmöglich in die Steuerstrategie sowie die Buchhaltungspraktiken zu integrieren. Auf diese Weise können Unternehmen von den neuen Regelungen profitieren und steuerliche Nachteile vermeiden. Nachfolgend finden Sie einige allgemeine Handlungsempfehlungen, die sich für Unternehmen aus dem Jahressteuergesetz 2024 ergeben.
Steuerliche Beratung
Einige der Änderungen im Steuerrecht sind komplex und erfordern daher ein hohes Maß an Expertise für die korrekte Umsetzung aller notwendigen Maßnahmen. Unternehmen sollten daher das Gespräch mit ihren Steuerberaterinnen und -beratern suchen. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind oder internationale Geschäfte tätigen.
Technologische Lösungen
Änderungen im Steuerrecht führen schnell zu Fehlern in der Buchhaltung von Unternehmen. Um menschliche Versäumnisse unwahrscheinlicher zu machen, empfiehlt sich der Einsatz automatisierter Prozesse. Mit modernen Softwarelösungen wie Stripe Tax können Unternehmen beispielsweise Steuern für weltweite Zahlungen automatisch berechnen, erheben und melden. Tax ermittelt den richtigen Steuerbetrag in Echtzeit und unterstützt Unternehmen so dabei, Ihre Steuerpflichten stets effizient zu erfüllen – was besonders herausfordernd ist, wenn Unternehmen international tätig sind oder unterschiedliche Steuersätze berücksichtigen müssen.
Überprüfung und Anpassung interner Prozesse
Unternehmen sollten ihre internen Abläufe an die neuen gesetzlichen
Vorgaben anpassen. Möglicherweise müssen Buchführungsprozesse angepasst werden. Um eine ordnungsgemäße Steuererhebung und -meldung zu gewährleisten, müssen Unternehmen unter anderem ihre Rechnungsstellung und Zahlungsabwicklung auf die neuen Regelungen ausrichten. Beispielsweise könnte die Fristensystematik beim Vorsteuerabzug zu einem höheren administrativen Aufwand führen.
Der Inhalt dieses Artikels dient nur zu allgemeinen Informations- und Bildungszwecken und sollte nicht als Rechts- oder Steuerberatung interpretiert werden. Stripe übernimmt keine Gewähr oder Garantie für die Richtigkeit, Vollständigkeit, Angemessenheit oder Aktualität der Informationen in diesem Artikel. Sie sollten den Rat eines in Ihrem steuerlichen Zuständigkeitsbereich zugelassenen kompetenten Rechtsbeistands oder von einer Steuerberatungsstelle einholen und sich hinsichtlich Ihrer speziellen Situation beraten lassen.