Sollversteuerung vs. Istversteuerung in Deutschland

  1. Einführung
  2. Was bedeuten Sollversteuerung und Istversteuerung?
  3. Was sind die Vorteile der Soll- und Istversteuerung?
  4. Welches Konzept gilt für welche Unternehmen?
  5. Welche Sonderfälle gibt es?
    1. Ein Unternehmen besteht aus mehreren Betrieben
    2. Freiberufler/innen haben noch andere Umsätze
  6. Wie beantrage ich die jeweilige Besteuerungsart?
    1. In welchen Fällen kann das Finanzamt die Istversteuerung widerrufen?
  7. Wie kann ich von der Soll- zur Istversteuerung wechseln?

In Deutschland hängt es von der Versteuerungsart ab, wann Unternehmen die angefallene Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen müssen. In diesem Artikel erklären wir die beiden möglichen Versteuerungsarten Soll- oder Istversteuerung. Wir stellen auch vor, welche Vor- und Nachteile die jeweilige Versteuerungsart für ein Unternehmen mit sich bringt und unter welchen Voraussetzungen ein Wechsel der Besteuerung möglich ist.

Worum geht es in diesem Artikel?

  • Was bedeuten Sollversteuerung und Istversteuerung?
  • Was sind die Vorteile der Soll- und Istversteuerung?
  • Welches Konzept gilt für welche Unternehmen?
  • Welche Sonderfälle gibt es?
  • Wie beantrage ich die jeweilige Besteuerungsart?
  • Wie kann ich von der Sollversteuerung zur Istversteuerung wechseln?

Was bedeuten Sollversteuerung und Istversteuerung?

Unternehmen müssen in Deutschland entweder nach der Sollversteuerung (§ 16 UStG) oder nach der Istversteuerung, die auch Sollbesteuerung und Istbesteuerung genannt werden, (§ 20 UStG) ihre Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen. Die Versteuerung erfolgt bei beiden Arten nach vereinbarten Entgelten.

Bei der Sollversteuerung haben Unternehmen den Nachteil, dass sie die Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen müssen, sobald sie die Rechnung gestellt haben, auch wenn die Kundschaft noch nicht gezahlt hat. Bei der Istversteuerung ist das nicht der Fall.

Hier müssen Unternehmen die Umsatzsteuer erst dann ans Finanzamt abführen, wenn die Kundschaft die Rechnungen bezahlt hat. Der Vorteil bei der Istversteuerung liegt also auf der Hand: Unternehmen müssen die Umsatzsteuer nicht vorfinanzieren.Wir zeigen anhand zweier Beispiele, wie die unterschiedlichen Versteuerungsarten in der Praxis aussehen.

Beispiel für eine Sollversteuerung:

  • Sie stellen am 15. Mai eine Rechnung über 1.000 Euro plus 190 Euro Umsatzsteuer an Ihre Kundschaft.
  • Sie führen die 190 Euro Umsatzsteuer dem Rechnungsdatum entsprechend für den Monat Mai ab.
  • Sofern Sie keine Dauerfristverlängerung für die Umsatzsteuervoranmeldung beantragt haben, müssen Sie nach der Sollversteuerung die Umsatzsteuer bis zum 10. Juni ans Finanzamt melden und abführen – auch wenn Ihre Kundschaft noch nicht gezahlt hat.

Beispiel für eine Istversteuerung:

  • Sie stellen am 15. Mai eine Rechnung über 1.000 Euro plus 190 Euro Umsatzsteuer an Ihre Kundschaft.
  • Sie führen die Umsatzsteuer nach Zahlungseingang ab.
  • Zahlt Ihre Kundschaft bereits im Mai, dann wird die Abführung der Umsatzsteuer für Sie zum 10. Juni fällig (wie bei der Sollversteuerung). Zahlt die Kundschaft aber erst im darauffolgenden Monat, wird die Umsatzsteuer für Sie auch erst einen Monat später fällig – Sie müssen die Umsatzsteuer also nicht vorfinanzieren wie bei der Sollversteuerung.

Was sind die Vorteile der Soll- und Istversteuerung?

Es beeinflusst Ihre Liquidität, ob Sie als Unternehmen die Umsatzsteuer nach der Sollversteuerung oder nach der Istversteuerung abführen. Bei der Istversteuerung haben Sie mehr Spielraum, denn gerade bei vielen Aufträgen oder auch bei größeren Geldbeträgen müssen Sie die Umsatzsteuer nicht über Wochen vorfinanzieren. Kommt Ihre Kundschaft in Zahlungsverzug, können schnell Liquiditätsprobleme entstehen, insbesondere dann, wenn mehrere Geschäftspartner/innen zur gleichen Zeit in Zahlungsverzug geraten.

Das Vorteilhafte an der Sollversteuerung auf der anderen Seite ist, dass die Umsatzsteuer bereits bei Rechnungsstellung abgeführt wird. So entstehen auch keine Steuernachzahlungen, wenn der Zahlungseingang übersehen und demnach keine Umsatzsteuer abgeführt wurde.

Insbesondere für Start-ups, Kleinunternehmer/innen und Freiberufler/innen, die über einen geringeren Kapitalpuffer verfügen, bedeutet die Istversteuerung eine deutliche Entlastung. Denn es kann entscheidend sein, wenn bei Zahlungsausfällen kleinere Unternehmen nicht auch noch Umsatzsteuerbeträge ans Finanzamt abführen müssen. Die Istversteuerung empfiehlt sich also besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die Liquiditätsengpässe vermeiden möchten und die grundsätzlichen Voraussetzungen zur Veranlagung auf diese Versteuerungsart mitbringen. Welche Voraussetzungen das sind, legen wir Ihnen im Folgenden dar.

Welches Konzept gilt für welche Unternehmen?

Unternehmen in Deutschland unterliegen bei der Umsatzsteuervoranmeldung grundsätzlich der Sollversteuerung. Es gibt jedoch drei Unternehmensgruppen, die einen Antrag auf Istversteuerung stellen können:

  • Freiberufler/innen (Gewinnermittlung mit Einnahmen-Überschuss-Rechnung)
  • Einzelunternehmer/innen und GbR, die einen Umsatz oder Gewinn unterhalb der Buchführungspflichtgrenze von 600.000 Euro Umsatz bzw. 60.000 Euro Gewinn im Jahr erzielen und gemäß § 148 der Abgabenordnung (AO) von der Bilanzierung befreit sind.
  • Buchführungspflichtige Unternehmen mit einem Jahresumsatz unter 500.000 Euro (GmbH, OHG, UG)

Bei Unternehmen mit einem Umsatz über 600.000 Euro oder 60.000 Euro Gewinn pro Jahr wird automatisch die Sollversteuerung angewandt. Sie haben nicht die Möglichkeit wie die oben genannten Unternehmen, die Istversteuerung zu wählen.

Da Freiberufler/innen ihre Tätigkeit anders als Gewerbetreibende nicht anmelden müssen, können sie die Istversteuerung schon mit der ersten Umsatzsteuervoranmeldung anwenden, ohne einen Antrag auf Genehmigung der Istversteuerung gestellt zu haben.

Welche Sonderfälle gibt es?

In bestimmten Fällen gelten für Unternehmen Sonderregelungen bei der Veranlagung zur Soll- oder Istversteuerung – das sind die häufigsten Fälle:

Ein Unternehmen besteht aus mehreren Betrieben

Gehören mehrere Betriebe einem Unternehmen an, müssen bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes die Umsätze aller Betriebe zusammengerechnet werden. Nur wenn der Gesamtumsatz den Grenzwert von 600.000 EUR nicht übersteigt, darf die Istversteuerung angewendet werden – unabhängig davon, ob die einzelnen Betriebe unterschiedlichen Geschäftstätigkeiten nachgehen. Anders als bei der Berechnung der Einkommenssteuer müssen bei der Umsatzsteuer alle zu einem Unternehmen gehörenden Betriebe mit einbezogen werden.

Freiberufler/innen haben noch andere Umsätze

Es gibt auch den Fall, dass Soll- und Istversteuerung nebeneinander angewandt werden, wenn eine geschäftlich tätige Person sowohl freiberufliche Umsätze als auch Umsätze durch ein Gewerbe hat. Die Umsätze werden dann getrennt veranschlagt und die Umsatzsteuer wird getrennt abgeführt – bei der freiberuflichen Tätigkeit nach der Istversteuerung, bei der gewerblichen Tätigkeit nach der Sollversteuerung (Sofern der Umsatz hier über 600.000 Euro oder der Gewinn über 60.000 Euro pro Jahr liegt).

Überschreiten die anderen Einkünfte nicht den Grenzwert von 600.000 EUR, sollte sich ein/e Freiberufler/in für alle Umsätze die Istversteuerung genehmigen lassen und bei der Antragstellung darauf hinweisen, dass neben den freiberuflichen noch andere Umsätze erzielt werden. Dann wird das Finanzamt die freiberuflichen Umsätze bei der Berechnung nicht mit einbeziehen.

Wie beantrage ich die jeweilige Besteuerungsart?

Als Gründer/in können Sie die Versteuerungsart direkt bei der Unternehmensgründung wählen und beantragen, wenn Sie den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung ausfüllen. Sie können die Versteuerungsart auch noch danach anpassen, sollten sich im Laufe Ihrer unternehmerischen Tätigkeit die Voraussetzungen für die anfangs gewählte Versteuerungsart ändern. Wenn Sie beispielsweise zur Sollversteuerung veranschlagt wurden und Ihr jährlicher Gewinn dann doch unterhalb des Grenzwerts von 60.000 Euro Umsatz liegt, können Sie einen Wechsel zur Istversteuerung beantragen. Der Wechsel ist ohne eine gesetzte Frist jederzeit möglich. Sie müssen dazu lediglich ein formloses Schreiben ans Finanzamt aufsetzen, das folgende Informationen enthält:

  • Ihre Steuernummer
  • Zeitpunkt, ab dem die Istversteuerung gelten soll
  • Letzter Steuerbescheid als Nachweis Ihres Gesamtjahresumsatzes bzw. Jahresgewinns

Das Finanzamt darf Ihren Antrag nicht ablehnen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind und Sie mit Ihrem Gesamtumsatz bzw. Gewinn unter dem festgelegten Grenzwert liegen. Sobald Sie die Genehmigung des Finanzamtes erhalten haben, können Sie die Istversteuerung anwenden.

In welchen Fällen kann das Finanzamt die Istversteuerung widerrufen?

Hat das Finanzamt die Istversteuerung genehmigt, gilt diese Genehmigung so lange, bis sie widerrufen wird. Ein Widerruf ist nur dann möglich, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, die bei der Veranlagung zur Istversteuerung gegeben waren. Stellt das Finanzamt bei der Bearbeitung von Steuererklärungen oder bei einer Betriebsprüfung fest, dass der Vorjahresumsatz mehr als 600.000 EUR betragen hat, kann es die früher erteilte Genehmigung widerrufen – allerdings nur für die Zukunft, das heißt, immer nur zu Beginn des nächsten Kalenderjahres.

Ein rückwirkender Widerruf ist nur dann möglich, wenn ein Unternehmen dem Finanzamt gegenüber bewusst falsche Angaben gemacht hat. In diesem Fall wird das betreffende Unternehmen ab sofort nach vereinbarten Entgelten der Sollversteuerung besteuert. Das Unternehmen muss dabei die Umsatzsteuer aus eventuell noch nicht bezahlten Rechnungen (was bei einer Istversteuerung der Fall sein kann) in die nächste Umsatzsteuervoranmeldung mit aufnehmen.

Wie kann ich von der Soll- zur Istversteuerung wechseln?

Wenn für Sie als Unternehmen nach Veranlagung durch das Finanzamt oder durch eigene Wahl bei der Unternehmensgründung die Sollversteuerung gilt, bedeutet das nicht, dass Sie die Versteuerungsart nie wieder ändern können. Auch ein späterer Wechsel von der Soll- zur Istversteuerung ist möglich, sobald der vom Finanzamt festgelegte Grenzwert unterschritten wird.

Der Antrag auf einen Wechsel kann formlos bei Ihrem zuständigen Finanzamt erfolgen und ist ganz unproblematisch. Wenn Sie nach Genehmigung durch das Finanzamt zur Istversteuerung wechseln, können Sie bereits Ihre nächste Umsatzsteuervoranmeldung nach der neuen Versteuerungsart angeben. Dabei sollten Sie allerdings darauf achten, dass Ihre Umsätze nicht doppelt oder überhaupt nicht erfasst werden. Denn die Umsatzsteuerschuld entsteht bei der Soll- und Istversteuerung zu unterschiedlichen Zeitpunkten.

Ein doppeltes Angeben der Umsatzsteuer kann vorkommen, wenn Sie den Zeitpunkt des Wechsels von der Soll- zur Istversteuerung bei der Umsatzsteuervoranmeldung nicht klar vor Augen haben. Dann geben Sie die Umsatzsteuer einer Rechnung aus Versehen möglicherweise nach beiden Versteuerungsmodellen an. Hier gilt jedoch die Regel: Alle Umsätze dürfen nur einmal besteuert werden.

Bei einem Wechsel von der Soll- zur Istversteuerung – aber auch umgekehrt – können die Zahlen nicht nachträglich korrigiert werden. Haben Sie beispielsweise durch doppelte Zahlung zu viel Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt, kann das nicht mehr rückgängig gemacht werden. Es ist deshalb empfehlenswert, beim Wechsel der Versteuerungsart alle Rechnungen in einer gesonderten Erlösliste zusammenzustellen, bei denen die Umsatzsteuer zum Zeitpunkt des Wechsels bereits in der Umsatzsteuervoranmeldung erfasst worden ist. Auf diese Weise schaffen Sie einen klaren Übergang von einer Besteuerungsart zur anderen.

Sie können dazu auch ein Buchhaltungsprogramm einsetzen, mit dem der Wechsel zwischen den beiden Versteuerungsarten einfacher wird. Sie behalten damit Ihr Debitoren- und Forderungsmanagement übersichtlich im Blick und können alle Rechnungen mit dem jeweiligen Zahlungsverlauf und der Umsatzsteuerschuld leichter zuordnen.

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