Für die meisten Verkäufer/innen und Dienstleister gehören Rückbuchungen und Rückerstattungen zum Tagesgeschäft, und sie verfügen über den entsprechenden Cashflow, um diese zu finanzieren. Es kann jedoch vorkommen, dass dieser natürliche Kreislauf durch externe Faktoren wie Naturkatastrophen oder globale Pandemien unterbrochen wird. Ihre Verkäufer/innen oder Dienstleister könnten eine Periode mit weniger Verkäufen und mehr Rückerstattungsanfragen zu bewältigen haben, was zu überzogenen Konten oder der Unfähigkeit, Geld an Kundschaft zurückzugeben, führen könnte.
Es gilt dabei zu beachten, dass ein Unterschied besteht zwischen Kreditrisiko und Betrug. Obwohl beide zu Verlusten führen, besteht der größte Unterschied in der Absicht. Betrügerische Akteurinnen und Akteure haben erst gar nicht die Absicht, für Waren oder Dienstleistungen zu bezahlen. Stattdessen geben sie vor, rechtmäßige Kundinnen und Kunden zu sein, und verwenden dazu gestohlene Karten und Kartennummern. Das Kreditrisiko hingegen betrifft in der Regel Verkäufer/innen oder Dienstleister, die zwar die Absicht haben, Waren oder Dienstleistungen bereitzustellen, aber nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um einen Nachfragerückgang abzufedern. Wenn sich Rückerstattungsanträge und Rückbuchungen häufen, geben sie womöglich ihr Geschäft auf, was dazu führt, dass Ihre Plattform den Kundinnen und Kunden Geld schuldet.
Nehmen wir zum Beispiel an, Sie betreiben eine Plattform, auf der Event-Veranstalter Eintrittskarten verkaufen können. Wenn Präsenzveranstaltungen abgesagt werden, müssen die Veranstalter den Kaufpreis an die Kundinnen und Kunden rückerstatten. Verfügen die Veranstalter jedoch nicht über genügend Geld, um die Rückerstattungen durchzuführen, könnten Sie – als Plattform – in die Verantwortung genommen werden, diesen Verlust auszugleichen. Infolgedessen gehen Sie im Namen Ihrer Verkäufer/innen ein hohes Kreditrisiko ein, und Ihrer Plattform entsteht dadurch ein Verlustrisiko.
Auch wenn es keine Möglichkeit gibt, das Kreditrisiko Ihrer Verkäufer/innen und Dienstleister zu 100 % zu eliminieren, erfahren Sie in diesem Leitfaden, wie Sie Ihr Kreditrisiko bewerten und steuern können.
So bewerten Sie Ihr Kreditrisiko
Der erste Schritt besteht darin, sich mit den Risikoprofilen der Verkäufer/innen und Dienstleister auf Ihrer Plattform oder Ihrem Marktplatz vertraut zu machen. Je mehr Daten Sie erfassen, desto präziser können Sie Ihr eigenes Risiko einschätzen und Ihre Plattform vor Schaden bewahren. Beispielsweise könnten Sie anhand der Finanzaktivitäten Konten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für Cashflow-Probleme und Kontoüberziehungen identifizieren, noch bevor diese tatsächlich in Erscheinung treten.
Einer oder mehrere dieser Faktoren können als Risikohinweis dienen:
- Branchen mit längeren Lieferterminen: Verkäufer/innen oder Dienstleister, die Waren und Dienstleistungen erst Wochen oder Monate nach der Zahlungsabwicklung oder über einen längeren Zeitraum im Rahmen eines Abonnementmodells bereitstellen, bergen ein höheres Risiko. Aufgrund der langen Liefertermine ist das Auftreten unerwarteter Ereignisse, wie z. B. eine Pandemie oder Probleme in der Lieferkette, wahrscheinlicher, wodurch die Fähigkeit zur Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen beeinträchtigt werden könnte.
- Erhöhte Zahl angefochtener Zahlungen: Die Anfechtung (oder Rückbuchung) von Zahlungen erfolgt, wenn Kundinnen und Kunden eine Zahlung bei ihrem Kartenaussteller reklamieren (wenn sie z. B. einen Kauf abschließen, den Artikel aber nicht erhalten). Konten, die eine erhöhte Anfechtungsquote aufweisen (über 0,75 % wird im Allgemeinen als überhöht angesehen), gehen mit höheren Risiken einher.
- Erhöhte Rückerstattungsquote: Ein wesentlicher Anstieg bei der Zahl der Rückerstattungen (z. B. eine Erhöhung um 200 % gegenüber der Vorwoche oder dem Vormonat) kann ein Hinweis darauf sein, dass Verkäufer/innen oder Dienstleister nicht in der Lage sind, Aufträge auszuführen.
- Starker Volumenrückgang: Bei Konten, die im Vergleich zur Vorwoche oder zum Vormonat einen deutlichen Volumenrückgang aufweisen, ist das Risiko von Cashflow-Problemen und Kontoüberziehungen höher.
- Geschäftliche Aktivitäten in risikoreichen Branchen: Konten, die in Verbindung mit bestimmten Branchen stehen, darunter Reisen und Events, sind besonders anfällig für plötzliche Veränderungen – wie Naturkatastrophen oder lokale Gesundheits- und Sicherheitsprobleme – und können unerwartete Umsatzrückgänge oder erhöhte Rückerstattungsquoten verzeichnen.
- Kontoüberziehung: In überzogenen Konten können keine Rückbuchungen und Rückerstattungen durchgeführt werden, sodass das Risiko auf Ihre Plattform übergeht.
So gehen Sie mit Kreditrisiken um
Sobald Sie eine Liste mit riskanteren Konten erstellt haben, können Sie mit der proaktiven Steuerung Ihres Risikos beginnen. In Bezug auf Verkäufer/innen oder Dienstleister, die ein höheres Risiko für Ihr Unternehmen darstellen, können Sie Ihren Auszahlungsplan ändern und sie auffordern, Rückerstattungen und Rückbuchungen anders abzuwickeln. Sie können zudem Ihren Onboarding-Prozess neu evaluieren, um neuen Verkäufern oder Dienstleistern mit hohem Risikoprofil, die Ihrer Plattform beitreten, einen Schritt voraus zu sein.
Wir stellen Ihnen fünf Möglichkeiten vor, wie Sie das Kreditrisiko Ihrer Verkäufer/innen oder Dienstleister steuern können:
- Nehmen Sie Änderungen an der Risikobewertung während des Onboardings vor: Bewerten Sie das Risiko von Verkäuferinnen und Verkäufern oder Dienstleistern während des Onboardings, noch bevor diese Ihre Plattform überhaupt nutzen. Vergewissern Sie sich, dass Sie ausreichend Informationen über die angebotenen Waren und Dienstleistungen sammeln, damit Sie feststellen können, ob diese einer Hochrisikokategorie angehören. Bei volumenstärkeren Nutzerinnen und Nutzern sollten Sie eine manuelle Beurteilung einschließlich einer Überprüfung der Finanzlage in Betracht ziehen. Sie könnten die Vorlage eines Inventarnachweises verlangen und sich über die Lieferkette, die Liefertermine, die Rückerstattungsrichtlinien und das voraussichtliche Brutto-Zahlungsvolumen informieren. Wir empfehlen Ihnen ferner, das Konto in den ersten Wochen im Auge zu behalten, um den Umfang der angefochtenen Zahlungen und Rückerstattungen zu ermitteln.
- Verzögern oder verlangsamen Sie die Auszahlungen bei riskanteren Konten: Bei Verkäuferinnen und Verkäufern oder Dienstleistern, die erst seit Kurzem auf Ihrer Plattform aktiv sind, können Sie die Auszahlungen verzögern (warten Sie z. B. vor der Durchführung der Auszahlungen ein oder zwei Tage ab), bis feststeht, welche Durchschnittsvolumen und Rückbuchungsquoten sie aufweisen. Halten Sie Auszahlungen für Waren und Dienstleistungen, die nicht unmittelbar bereitgestellt werden, bis zum Liefertermin zurück. Dadurch verringert sich die Wahrscheinlichkeit von Rückbuchungen und Rückerstattungen, da Ihnen vor Freigabe der Gelder der Nachweis vorliegt, dass Kundinnen und Kunden den bezahlten Artikel bzw. die bezahlte Dienstleistung erhalten haben.
- Überprüfen Sie den Umgang mit Rückerstattungen und nehmen Sie entsprechende Anpassungen vor: Manche Verkäufer/innen oder Dienstleister ziehen es beispielsweise vor, Rückerstattungen schneller oder automatisch zu verarbeiten (z. B. im Zusammenhang mit Abbuchungen, die wahrscheinlicher angefochten werden), während andere Rückerstattungen lieber etwas langsamer ausführen, um Kontoüberziehungen zu vermeiden. In der Regel können Sie langsamere Rückerstattungen aktivieren, indem Sie die Schnittstelle oder das Dashboard aktualisieren, mit dem Käufer/in und Verkäufer/in Rückerstattungen beantragen. Stellen Sie sicher, dass Ihre Verkäufer/innen oder Dienstleister sämtliche Änderungen der Rückerstattungsfristen an ihre Kundinnen und Kunden kommunizieren.
- Reduzieren Sie die Auswirkungen von Rückbuchungen und Kontoüberziehungen auf Ihre Plattform: Wenn Ihnen vor allem Rückbuchungen Sorgen bereiten, können Sie Ihre Verkäufer/innen oder Dienstleister auffordern, Abbuchungen, die wahrscheinlich angefochten werden, proaktiv zu stornieren und zurückzuerstatten. Ihre Verkäuferin oder Ihr Verkäufer oder Dienstleister wird dadurch einen Verlust erleiden, was aber unter Umständen vorteilhafter ist als eine Rückbuchung in Verbindung mit einer negativen Nutzererfahrung. Sie können von Ihren Verkäuferinnen und Verkäufern oder Dienstleistern auch verlangen, wiederkehrende Abbuchungen oder Abonnements, die mit einem hohen Rückbuchungsrisiko einhergehen, vorübergehend ruhen zu lassen, was ihnen mehr Kontrolle über den Zeitpunkt der Fortsetzung des Abonnements verschafft. Wenn Verkäufer/innen oder Dienstleister zum Beispiel Kurse anbieten, deren Zeitplan durcheinandergeraten ist, können sie die wiederkehrende Gebühr für ihre Kundinnen und Kunden aussetzen.
- Unterstützen Sie Ihre Verkäufer/innen oder Dienstleister: Erstellen Sie Ressourcen, die Ihren Kundinnen und Kunden helfen, sich auf das Unerwartete vorzubereiten. Beispiele hierfür sind COVID-19-Ressourcen von Shopify und Xero oder Informationen zu Hurrikan Harvey für Unternehmen von Mindbody. Machen Sie darüber hinaus Ihre Verkäufer/innen oder Dienstleister mit Best Practices vertraut, um ihnen dabei zu helfen, die Anzahl der Rückbuchungen zu vermindern:
- Kein Verkauf von Artikeln oder Dienstleistungen, die nicht auf Lager bzw. verfügbar sind.
- Versandbedingungen, Rückgabebedingungen, Rückerstattungsrichtlinien und sämtliche Geld-zurück-Garantien müssen aus der Website deutlich hervorgehen.
- Guter Kundensupport mit einer genau festgelegten Servicevereinbarung.
- Einrichtung eines internen Prozesses, um Kundinnen und Kunden über eventuelle Verzögerungen zu informieren.
- Bereitstellung von Tracking-Nummern für Kundinnen und Kunden.
- Aufbewahrung detaillierter Kopien von Quittungen, Vereinbarungen und Versandnachweisen. Bei digitalen Waren oder Dienstleistungen: Aufbewahrung von Zugriffsprotokollen oder Unterlagen, die die Nutzung durch die Kundinnen und Kunden belegen.
So unterstützt Stripe Plattformen und Marktplätze
Plattformen und Marktplätze aller Größen, von frisch gegründeten Start-ups bis hin zu arrivierten börsennotierten Unternehmen wie Shopify und Lyft, setzen auf Stripe Connect für Nutzer-Onboarding und -Verifizierung und um Online-Zahlungen zu akzeptieren und technisch anspruchsvolle Finanztransaktionen durchzuführen.
Nutzen auch Sie die Technologien von Stripe und steuern Sie das mit Verkäuferinnen/Verkäufern und Dienstleistern verbundene Risiko besser und präziser.
Nutzer-Screening: Mit seiner Kontoverifizierung unterstützt Sie Stripe beim sicheren Onboarding von Verkäuferinnen/Verkäufern und Dienstleistern. Dabei nutzt Stripe seine Erfahrung aus der Verifizierung von Millionen von Konten und setzt geschützte Systeme ein, um mehr Nutzer/innen mit weniger Aufwand freizuschalten.
Informationen zu Anfechtungen und Rückerstattungen: Das Stripe-Dashboard bietet verschiedene Analysemöglichkeiten und Echtzeit-Diagramme, die Ihnen Auskunft über die Performance Ihrer Plattform oder Ihres Marktplatzes geben. Mit Stripe Sigma können Sie Ihre Stripe-Daten rasch analysieren, indem Sie SQL-Abfragen direkt im Dashboard durchführen. Dank strukturiertem Zugriff auf Ihre Daten können Sie feststellen, bei welchen Konten die meisten Anfechtungen und Rückerstattungen anfallen, und so im Laufe der Zeit Trends ermitteln.
Flexible Auszahlungspläne: Stripe bietet eine Reihe verschiedener Optionen für Auszahlungspläne, die Sie auf die Risikoprofile Ihrer Verkäufer/innen oder Dienstleister abstimmen können. Wählen Sie etwa zwischen automatischer Sofortauszahlung oder täglicher Auszahlung für etabliertere Verkäufer/innen oder Dienstleister. Oder definieren Sie Ihren ganz individuellen Plan, um Auszahlungen an Konten mit höherem Risiko zu verlangsamen oder zu verzögern.
Angebot einer Verlusthaftpflichtversicherung: Stripe kann Sie bei der Steuerung des Nutzerrisikos unterstützen, sodass Sie sich keine Sorgen über Kreditverluste machen müssen. Wenn Ihre Verkäufer/innen oder Dienstleister über ein Standard Connect-Konto verfügen, müssen Sie nicht für die Kosten von Stripe-Gebühren, Rückerstattungen und Rückbuchungen aufkommen.
Weitere Informationen darüber, wie Stripe Plattformen und Marktplätzen unterstützen kann, finden Sie in unserer Dokumentation.