Geldforderungen gegen eine Schuldnerin beziehungsweise einen Schuldner bestehen in Deutschland nicht zeitlich unbegrenzt. Nach Ablauf einer festgelegten Frist verjähren sie und sind kaum noch durchzusetzen. Unternehmen in Deutschland sollten sich daher umfassend über ihre Rechte und Pflichten informieren, um ihre Forderungen rechtzeitig geltend zu machen.
In diesem Artikel erfahren Sie, welche Verjährungsfristen in Deutschland gelten und wann sie beginnen. Darüber hinaus erläutern wir im Detail, wie die Verjährung von Forderungen die Buchhaltung von Unternehmen beeinflusst, insbesondere im Hinblick auf Wertminderungen, die Anpassung der Umsatzsteuer sowie das Fristenmanagement.
Worum geht es in diesem Artikel?
- Welche Verjährungsfristen gelten in Deutschland?
- Wann beginnt die Verjährungsfrist?
- Welche Sonderfälle gibt es bei der Verjährung von Forderungen?
- Welche Rolle spielen Mahnungen bei der Verjährung?
- Welche Auswirkungen hat die Verjährung von Forderungen auf die Buchhaltung von Unternehmen?
Welche Verjährungsfristen gelten in Deutschland?
In Deutschland regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) Ansprüchen und Forderungen. Die Dauer der Verjährungsfrist ist dabei abhängig von der jeweiligen Art der Forderung. Für die meisten Ansprüche gilt nach § 195 BGB eine Regelverjährungsfrist von drei Jahren. Typische Beispiele sind offene Rechnungen, Vertragsforderungen, Mieten und Pachten, Lohn- und Gehaltsforderungen sowie Darlehens- und Schadensersatzforderungen.
Nach Ablauf der dreijährigen Frist haben Schuldner/innen das Recht, die Zahlung zu verweigern. Hintergrund dieser Regelung ist der Schutz des Rechtsfriedens, da ältere Forderungen oft schwerer zu beweisen sind. Dies liegt daran, dass mit der Zeit Beweismittel wie Dokumente verloren gehen können und Zeugenaussagen an Verlässlichkeit verlieren. Wird die Verjährung jedoch nicht geltend gemacht, können Gläubiger/innen weiterhin rechtliche Schritte einleiten. Ein bereits bestehender Schufa-Eintrag kann trotz Verjährung unter Umständen bestehen bleiben. Neue Eintragungen verjährter Forderungen sind jedoch unzulässig.
Wann beginnt die Verjährungsfrist?
Laut § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Stellt ein Unternehmen einer Kundin oder einem Kunden im Januar 2026 eine Rechnung, die nicht beglichen wird, beginnt die Verjährungsfrist am 31. Dezember 2026 und endet am 31. Dezember 2029. Voraussetzung ist jedoch zum einen, dass keine anderslautende Verjährungsfrist vereinbart wurde. Zum anderen müssen die Gläubiger/innen von ihrem Anspruch, den begründeten Umständen sowie der Person der Schuldnerin oder des Schuldners wissen beziehungsweise wissen können.
Die folgenden Beispiele zeigen jedoch, dass es im Einzelfall anspruchsvoll sein kann, zu bestimmen, wann ein Anspruch verjährt:
Beispiel 1
Eine Fotografin kauft im November 2025 eine Kamera für 1.500 €. Die dazugehörige Rechnung erhält sie erst im Januar 2026. Aufgrund eines Tippfehlers überweist die Fotografin im Januar 2026 nur 150 € an das leistende Unternehmen. Der Buchhaltung fällt dieses Versehen allerdings erst im Sommer 2029 auf. Nun fordert es von der Fotografin die fehlenden 1.350 € ein.
Der Zahlungsanspruch ist jedoch mittlerweile verjährt, da er bereits im Jahr 2025 entstanden ist, als die Fotografin die Kamera gekauft hat. Entscheidend ist in diesem Fall nicht das Datum der Rechnungsstellung, sondern das Kaufdatum. Denn das Unternehmen hätte die Rechnung bereits Ende 2025 ausstellen können. Ausnahmen von dieser Regel gelten jedoch unter anderem bei Honoraren für Ärztinnen und Ärzte sowie für Architektinnen und Architekten.
Beispiel 2
Im Januar 2025 berät ein Anlagenberater eine Kundin zu einer Kapitalanlage in Form eines Immobilienfonds. Die Kundin erhält ein ausführliches Produktprospekt, in dem alle Risiken der Investition aufgeführt sind, einschließlich eines möglichen Totalverlusts. Die Kundin entscheidet sich dennoch für die Investition. Einige Jahre später verliert sie ihr eingesetztes Kapital, da der Fonds insolvent wird. Die Kundin klagt nun auf Schadensersatz aufgrund fehlerhafter Beratung.
Der Anspruch auf Schadensersatz ist bereits im Januar 2025 entstanden, als die Beratung stattfand. Unklar ist allerdings, wann die Verjährungsfrist begonnen hat. Als die Kundin 2025 das Prospekt erhielt, als sie 2026 feststellte, dass ihre Investition deutlich an Wert verloren hat, oder erst als sich die Insolvenz abzeichnete? Die Verjährungsfrist beginnt erst dann, wenn die Gläubiger/innen Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen. In diesem Beispiel ist es entscheidend, wann die Kundin wusste oder wissen musste, dass sie durch die Beratung geschädigt wurde.
Kann die Verjährungsfrist verlängert werden?
In bestimmten Situationen verzögert sich der Beginn der Verjährungsfrist, wenn die Rechtslage unklar ist. Können die Gläubiger/innen nicht sicher einschätzen, ob eine Klage Aussicht auf Erfolg hat, ist es ihnen nicht zuzumuten, sofort zu klagen. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 17.11.2021 (Az. IV ZR 113/20) bestätigt.
Welche Sonderfälle gibt es bei der Verjährung von Forderungen?
Neben der allgemeinen dreijährigen Verjährungsfrist gibt es im Bürgerlichen Gesetzbuch eine Reihe von Sonderregelungen, die für bestimmte Arten von Forderungen kürzere oder längere Verjährungsfristen vorsehen. Diese Fristen variieren je nach Art des Anspruchs und den spezifischen Umständen, unter denen der Anspruch entstanden ist. Im Folgenden finden Sie einige der wichtigsten Sonderregelungen:
Sechs Monate
Für Ansprüche aus Mietverhältnissen gilt eine besonders kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten. Sie betrifft insbesondere Ansprüche der Vermieter/innen auf Schadensersatz, beispielsweise wenn die Mieter/innen Schäden an der Wohnung verursacht oder vereinbarte Schönheitsreparaturen nicht durchgeführt haben. Die Frist beginnt mit der Rückgabe der Mietwohnung.
Zwei Jahre
Wenn ein Produkt Mängel aufweist, haben Käufer/innen zwei Jahre Zeit, um eine Nachbesserung zu verlangen. Diese Frist beginnt mit der Lieferung beziehungsweise Übergabe der Ware.
Wird eine Handwerkerin beziehungsweise ein Handwerker mit der Reparatur oder Wartung eines Produkts beauftragt, beträgt die Verjährungsfrist ebenfalls zwei Jahre. Die Frist beginnt, sobald die Arbeiten abgenommen worden sind.
Auch Ansprüche von Reisenden verjähren nach zwei Jahren. Die Frist gilt für Mängel, die im Zusammenhang mit Pauschalreisen auftreten, und beginnt in der Regel mit dem Ende der Reise.
Fünf Jahre
Die Verjährungsfrist von Forderungen aus Baumängeln beträgt fünf Jahre. Diese können bei Beanstandungen im Rahmen von Umbau- und Renovierungsarbeiten an Bauunternehmen sowie Architektinnen und Architekten geltend gemacht werden. Die Frist beginnt mit der Abnahme der Arbeiten. Auch Gewährleistungsansprüche beim Kauf einer Immobilie sind fünf Jahre gültig.
Zehn Jahre
Für Rechte an Grundstücken – zum Beispiel Ansprüche aus einer Grundschuld – beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Die Frist beginnt mit der Entstehung des Anspruchs und nicht erst am Jahresende.
Dreißig Jahre
Einige Ansprüche verjähren nach deutschem Recht erst nach dreißig Jahren. Hierzu zählen unter anderem Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung der Freiheit, der Gesundheit, des Körpers oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs, also in der Regel an dem Tag, an dem der Schaden entstanden ist.
Ebenfalls erst nach dreißig Jahren verjähren Herausgabeansprüche aus Eigentum, Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden sowie Ansprüche auf Erstattung der Kosten einer Zwangsvollstreckung.
Unternehmen sollten daher regelmäßig prüfen, welche Verjährungsfristen für Forderungen in ihrer Buchhaltung relevant sind, um Zahlungsausfälle zu vermeiden.
Welche Rolle spielen Mahnungen bei der Verjährung?
Mahnungen erinnern Schuldner/innen nachdrücklich an ihre Zahlungspflicht und können Unternehmen helfen, ihre Ansprüche geltend zu machen. Durch eine Mahnung bleibt die Forderung im Bewusstsein der Schuldner/innen und erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Zahlung. Auf die Verjährungsfrist haben Mahnungen jedoch keinen direkten Einfluss.
Anders verhält es sich, wenn zwischen Gläubiger/in und Schuldner/in Verhandlungen über den Anspruch geführt werden. In diesem Fall hemmen die Verhandlungen gemäß § 203 BGB die Verjährung, bis eine der Parteien die Fortsetzung verweigert. Das bedeutet, dass die Verjährungsfrist während der Verhandlungen pausiert und sich dadurch entsprechend verlängert. Das Versenden einer Mahnung selbst stellt allerdings noch keine Verhandlung im rechtlichen Sinne dar.
Vor Ablauf der Verjährungsfrist können die Gläubiger/innen ihre Forderungen gerichtlich geltend machen. Dafür gibt es zwei Optionen: eine Klage oder einen Mahnbescheid. Der Mahnbescheid ist ein vereinfachtes Verfahren, bei dem die Schuldner/innen Widerspruch einlegen können. Tun sie dies nicht, erhalten die Gläubiger/innen einen Vollstreckungstitel, der ihnen ermöglicht, Gerichtsvollzieher/innen zu beauftragen.
Wenn eine Gläubigerin oder ein Gläubiger einen Mahnbescheid beantragt, wird die Verjährungsfrist zunächst angehalten. Wird das Verfahren nicht fortgesetzt, läuft sie spätestens sechs Monate nach dem Stillstand weiter.
Welche Auswirkungen hat die Verjährung von Forderungen auf die Buchhaltung von Unternehmen?
Die Verjährung von Forderungen nach § 195 BGB hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Unternehmensbuchhaltung. Wenn eine Forderung nicht mehr erfolgreich eingetrieben werden kann, müssen Unternehmen dies in ihrer Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung berücksichtigen.
Wertminderungen und Abschreibungen
Wenn eine Forderung voraussichtlich nicht mehr beglichen wird, beispielsweise weil sie verjährt ist oder die Schuldner/innen zahlungsunfähig werden, muss sie in der Buchhaltung angepasst werden. Die Anpassung erfolgt durch eine Wertminderung oder Abschreibung.
In der Bilanz müssen Unternehmen die betroffenen Forderungen auf den voraussichtlich realisierbaren Betrag herabsetzen. Die Buchung erfolgt dann als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung. Unternehmen müssen sicherstellen, dass solche Wertminderungen gemäß den handelsrechtlichen Vorschriften korrekt verbucht werden, da sie den Gewinn und damit die Steuerlast des Unternehmens beeinflussen.
Umsatzsteuerberichtigung
Unter Umsatzsteuerberichtigung versteht man die Korrektur der Umsatzsteuer die auf eine uneinbringliche Forderung entfällt. Hat ein Unternehmen für eine inzwischen verjährte Forderung bereits Umsatzsteuer abgeführt, muss dieser Betrag gemäß § 17 UStG berichtigt werden. Die Berichtigung erfolgt in dem Kalenderjahr, in dem die Forderung als uneinbringlich gilt. Sie ist in der Umsatzsteuervoranmeldung des Unternehmens anzugeben, um eine Rückerstattung zu erhalten oder die Steuerlast zu mindern.
Fristenmanagement
Bevor eine Verjährungsfrist abläuft, müssen Unternehmen sicherstellen, dass sie ihre offenen Forderungen rechtzeitig und in voller Höhe geltend machen. Der Mahnprozess spielt dabei eine zentrale Rolle. Stripe Invoicing unterstützt Unternehmen nicht nur bei der automatischen Rechnungserstellung, sondern auch beim Versand von Zahlungserinnerungen. Die systematische Dokumentation der administrativen Prozesse hilft, offene Posten sowie sämtliche Fristen im Blick zu behalten und eine mögliche Verjährung zu verhindern.
Factoring
Die Verjährung von Forderungen hat auch Auswirkungen auf die Liquidität und den Cashflow eines Unternehmens. Bleiben Forderungen offen, verliert das Unternehmen einen Teil seiner Einnahmen, was sich negativ auf die Zahlungsfähigkeit auswirkt. Um Engpässe zu vermeiden, können Unternehmen den Verkauf von Forderungen in Betracht ziehen. Das sogenannte Factoring kann helfen, den Cashflow zu stabilisieren.
Der Inhalt dieses Artikels dient nur zu allgemeinen Informations- und Bildungszwecken und sollte nicht als Rechts- oder Steuerberatung interpretiert werden. Stripe übernimmt keine Gewähr oder Garantie für die Richtigkeit, Vollständigkeit, Angemessenheit oder Aktualität der Informationen in diesem Artikel. Sie sollten den Rat eines in Ihrem steuerlichen Zuständigkeitsbereich zugelassenen kompetenten Rechtsbeistands oder von einer Steuerberatungsstelle einholen und sich hinsichtlich Ihrer speziellen Situation beraten lassen.