Durch die fortschreitende Vernetzung von Unternehmen und die Zunahme digitaler Marktplätze sind an Warenlieferungen häufig mehr als zwei Vertragspartner/innen beteiligt. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf die Umsatzsteuerpflicht.
In diesem Artikel erfahren Sie, was ein Reihengeschäft ist und worin der Unterschied zwischen einer bewegten und einer ruhenden Lieferung besteht. Zudem erklären wir, wer bei einem Reihengeschäft die Umsatzsteuer trägt und was bei der Rechnungsstellung zu beachten ist.
Worum geht es in diesem Artikel?
- Was ist ein Reihengeschäft?
- Was ist der Unterschied zwischen einer bewegten und einer ruhenden Lieferung?
- Wer trägt die Umsatzsteuer im Reihengeschäft?
- Welche Regelungen sind in Reihengeschäften bei der Rechnungsstellung zu beachten?
- Wie funktionieren Reihengeschäfte mit Drittländern?
- Wie funktionieren Reihengeschäfte, wenn Privatpersonen involviert sind?
Was ist ein Reihengeschäft?
Ein Reihengeschäft liegt laut § 3 Abs. 6a Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) vor, wenn mehr als zwei Unternehmen über denselben Gegenstand Liefergeschäfte abschließen und der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmen an die finalen Abnehmer/innen gelangt. Beförderung bedeutet in diesem Zusammenhang jede Fortbewegung des Gegenstands; die Versendung meint eine Beauftragung von Speditionen oder anderen Lieferdienstleistungen. Charakteristisch für ein Reihengeschäft ist, dass einer einzigen Warenbewegung mehrere Umsatzgeschäfte gegenüberstehen.
Ein Beispiel: Max Mustermann bestellt beim ortsansässigen Möbelhändler einen Holztisch. Dieser bestellt den Tisch bei einem Großhändler und erteilt ihm den Auftrag, den Tisch direkt an Max Mustermann zu schicken. Da der Tisch direkt vom Großhändler an den Kunden geliefert wird, liegt ein Reihengeschäft vor.

Ein typisches Beispiel für ein einfaches Reihengeschäft ist auch das sogenannte Dropshipping, welches unter anderem für Online-Händler/innen und Wiederverkäufer/innen eine Rolle spielt. Bestellen Kundinnen und Kunden zum Beispiel ein Produkt in einem Onlineshop, versendet nicht dieser die Ware, sondern die Hersteller/innen oder Großhändler/innen. Der Vorteil für den Onlineshop besteht darin, dass dieser die Ware nicht selbst in einem Lager vorhalten muss.
Reihengeschäfte können jedoch auch komplexer sein, sprich mehr als drei Parteien involviert sein.
Ein Beispiel: Ein deutsches Unternehmen bestellt bei seinem österreichischen Lieferanten eine Maschine. Dieser bestellt die Maschine bei einem Großhändler in Frankreich. Da der französische Großhändler die Maschine nicht auf Lager hat, bestellt er sie bei einem Großhändler in Italien. Dieser liefert die Maschine direkt zum deutschen Unternehmen.

Was ist der Unterschied zwischen einer bewegten und einer ruhenden Lieferung?
Eine bewegte Lieferung bezeichnet eine Lieferung, bei der die Waren physisch zu ihrem Endbestimmungsort transportiert werden. Es findet demnach eine Beförderung oder Versendung der Ware statt. Die ruhenden oder unbewegten Lieferungen sind die anderen Lieferungen in der Reihe, die keine physische Warenbewegung auslösen, sondern nur im rechtlichen Sinn stattfinden.
In einem Reihengeschäft gilt nur eine Lieferung als „bewegte Lieferung“, während die übrigen Lieferungen „ruhende Lieferungen“ sind. Die Unterscheidung zwischen bewegt und ruhend ist essenziell für die steuerliche Behandlung der Lieferungen.
Dabei ist wichtig, dass der Begriff „Lieferung“ sich grundsätzlich auf ein rechnungspflichtiges Umsatzgeschäft bezieht, nicht auf eine physische Warenbewegung. Eine Lieferung liegt daher auch dann vor, wenn kein physischer Standortwechsel der Ware stattfindet. Der Begriff „Lieferort“ ist ebenfalls nicht von der tatsächlichen Warenbewegung abgeleitet, sondern sagt bei einem Umsatzgeschäft lediglich aus, in welchem Land dieses steuerbar ist.
Wer trägt die Umsatzsteuer im Reihengeschäft?
Die umsatzsteuerliche Behandlung bei einem Reihengeschäft unterscheidet sich in Abhängigkeit davon, ob eine ruhende oder bewegte Lieferung vorliegt. Zudem ist für die Umsatzsteuer bei einem Reihengeschäft wichtig, ob nationale oder grenzüberschreitende Lieferungen stattfinden.
Nationale Lieferkette
Bei einem Reihengeschäft, an dem ausschließlich Unternehmen mit Sitz in Deutschland beteiligt sind, gibt es keine grenzüberschreitenden Warenbewegungen. Daher gelten für die Lieferungen innerhalb der Kette die deutschen Umsatzsteuervorschriften:
- Bewegte Lieferung: Da die Waren innerhalb Deutschlands transportiert werden, ist diese Lieferung umsatzsteuerpflichtig in Deutschland. Die Verkäufer/innen der bewegten Lieferung berechnen die deutsche Umsatzsteuer, die für die Endkundinnen und -kunden als Vorsteuer abzugsfähig ist.
- Ruhende Lieferung: Auch diese Lieferungen sind bei einer nationalen Lieferkette steuerpflichtig und unterliegen der deutschen Umsatzsteuer.
In der nationalen Lieferkette sind demnach alle Lieferungen, sowohl bewegte als auch ruhende, in Deutschland steuerpflichtig. Es gibt keine steuerfreien Lieferungen, da die Ware innerhalb der deutschen Grenzen verbleibt.
Innergemeinschaftliche Lieferkette
Wenn ein Reihengeschäft Unternehmen aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten umfasst, kommt es zu grenzüberschreitenden Warenbewegungen. In diesem Fall spricht man von einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft und es greifen die Regelungen für innergemeinschaftliche Lieferungen. Hierbei muss im Hinblick auf die Umsatzsteuerpflicht jedoch unterschieden werden, ob es sich um bewegte oder ruhende Lieferungen handelt.
- Bewegte Lieferung: Wenn die bewegte Lieferung bei einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft grenzüberschreitend ist, wird sie in der Regel als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt. Voraussetzung dafür ist, dass die Waren bei einem Reihengeschäft von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat transportiert werden und die entsprechenden Nachweise vorliegen. Diese Warenlieferung ist für die liefernden beziehungsweise rechnungsstellenden Unternehmen steuerfrei. Beim empfangenden Unternehmen führt die innergemeinschaftliche Lieferung zu einem innergemeinschaftlichen Erwerb, das heißt, die Umsatzsteuer muss im eigenen Land abgeführt werden. Wenn das Unternehmen zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, kann die geleistete Umsatzsteuer von der Vorsteuer abgezogen werden.
- Ruhende Lieferung: Sofern die Unternehmen bei einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft ihren Sitz in verschiedenen EU-Ländern haben, sind die ruhenden Lieferungen dort steuerpflichtig, wo die liefernden Unternehmen ansässig sind. Beispielsweise wird die ruhende Lieferung eines deutschen Unternehmens an ein französisches Unternehmen als innerdeutscher Umsatz versteuert.
Bei einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft werden bewegte Lieferungen demnach im Regelfall als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt, während ruhende Lieferungen im Land des liefernden Unternehmens steuerpflichtig sind.
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Welche Regelungen sind in Reihengeschäften bei der Rechnungsstellung zu beachten?
In einem Reihengeschäft müssen bestimmte Voraussetzungen bei der Rechnungsstellung erfüllt sein, um die korrekte umsatzsteuerliche Behandlung sicherzustellen.
Unterscheidung von bewegten und ruhenden Lieferungen
Falls die bewegte Lieferung grenzüberschreitend innerhalb der EU erfolgt, kann sie als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung in Rechnung gestellt werden – vorausgesetzt, es liegen Nachweise, zum Beispiel Frachtpapiere für die Warenbewegung, vor. In diesem Fall muss auf der Rechnung eine Angabe zur Steuerbefreiung enthalten sein. Dies ist in Deutschland ein Hinweis auf die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung gemäß § 6a UStG.
Die ruhende Lieferung ist steuerpflichtig, wenn das empfangende Unternehmen im selben Land wie das liefernde Unternehmen ansässig ist. Bei grenzüberschreitenden Reihengeschäften gilt die Lieferung im jeweiligen Land der Absender/innen als steuerpflichtig. Die Rechnungen müssen die jeweils geltende Umsatzsteuer ausweisen.
Pflichtangaben auf der Rechnung
Ist ein deutsches Unternehmen bei einer Lieferung in einem Reihengeschäft umsatzsteuerpflichtig, muss die Rechnung sämtliche Pflichtangaben nach § 14 UStG beinhalten:
- vollständiger Name und vollständige Anschrift des leistenden Unternehmens
- vollständiger Name und vollständige Anschrift der Leistungsempfängerin beziehungsweise des Leistungsempfängers
- Datum der Rechnungsausstellung
- Datum der Lieferung oder sonstigen Leistung
- die dem leistenden Unternehmen vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
- eine fortlaufende, einmalig vergebene Rechnungsnummer
- die Menge und Art der gelieferten Produkte oder den Umfang und die Art der erbrachten Dienstleistung
- Nettobetrag der Ware oder Dienstleistung
- der anzuwendende Steuersatz und der entsprechende Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis auf die Steuerbefreiung
- Bruttobetrag der Ware oder Dienstleistung
Wie funktionieren Reihengeschäfte mit Drittländern?
Reihengeschäfte, in denen Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU involviert sind, unterliegen besonderen umsatzsteuerlichen und zollrechtlichen Vorschriften.
Angenommen, folgende Parteien sind beteiligt:
- Erstlieferant (A): ein US-amerikanisches Unternehmen
- Zwischenhändler (B): ein deutsches Unternehmen
- Endabnehmer (C): ein französisches Unternehmen
Die Ware wird direkt vom Erstlieferanten (A) an den Endabnehmer (C) geliefert, aber die Handelsverträge bestehen sowohl zwischen A und B als auch zwischen B und C. Die umsatzsteuerliche und zollrechtliche Behandlung der Lieferungen hängt davon ab, wer die Ware einführt.
Wenn der Zwischenhändler (B) die Ware in die EU einführt, trägt er in der Regel die Einfuhrumsatzsteuer und eventuell anfallende Zölle. Die Lieferung von B an C innerhalb der EU kann als innergemeinschaftliche Lieferung behandelt werden und wäre damit steuerfrei.
Wenn die Einfuhr durch den Endabnehmer (C) erfolgt, übernimmt C die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer und der Zölle.
Wie funktionieren Reihengeschäfte, wenn Privatpersonen involviert sind?
Bei Reihengeschäften mit Drittländern, bei denen Privatpersonen involviert sind, müssen gesonderte Regelungen beachtet werden, wie das untenstehende Beispiel zeigt.
Angenommen, folgende Parteien sind beteiligt:
- Erstlieferant (A): ein US-amerikanisches Unternehmen
- Zwischenhändler (B): ein deutsches Unternehmen
- Endabnehmer (C): ein deutscher Privatkunde
Die bewegte Lieferung bei einem Reihengeschäft ist diejenige, bei der die physische Warenbewegung erfolgt. In diesem Beispiel wird sie der Lieferung von A an B zugeordnet, da die Ware aus den USA nach Deutschland geliefert wird. Die ruhende Lieferung ist die Lieferung von B an C. Sie findet nur rechtlich statt, da die Ware bereits auf dem Weg von den USA nach Deutschland ist und physisch nicht erneut bewegt wird.
Da die Ware aus einem Drittland nach Deutschland geliefert wird, fällt bei der Einfuhr in Deutschland eine Einfuhrumsatzsteuer an, die entweder von B oder im Namen von C gezahlt werden muss. Im konkreten Fall würde üblicherweise B als Importeur auftreten und die Einfuhrumsatzsteuer zahlen, um die Ware in den EU-Zollverkehr zu überführen.
Da es sich bei C um einen deutschen Privatkunden handelt, muss B die Ware inklusive deutscher Umsatzsteuer an C weiterverkaufen – auch wenn C als Privatperson keine Vorsteuer abziehen kann. Die Lieferung wird als steuerpflichtige Inlandslieferung behandelt, das heißt, B stellt C eine Rechnung mit deutscher Umsatzsteuer aus.
Der Inhalt dieses Artikels dient nur zu allgemeinen Informations- und Bildungszwecken und sollte nicht als Rechts- oder Steuerberatung interpretiert werden. Stripe übernimmt keine Gewähr oder Garantie für die Richtigkeit, Vollständigkeit, Angemessenheit oder Aktualität der Informationen in diesem Artikel. Sie sollten den Rat eines in Ihrem steuerlichen Zuständigkeitsbereich zugelassenen kompetenten Rechtsbeistands oder von einer Steuerberatungsstelle einholen und sich hinsichtlich Ihrer speziellen Situation beraten lassen.