Um als Unternehmen alle gesetzlichen Vorschriften zur Sozialversicherungspflicht einzuhalten, ist es wichtig, die Funktionsweise, die verschiedenen Aspekte und die Ausnahmen der Sozialversicherung zu kennen. In diesem Artikel erfahren Sie, was unter Sozialversicherung und einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu verstehen ist, wie hoch die Beiträge sind und welche Beschäftigungen unter die Versicherungspflicht fallen. Zudem erläutern wir die Gesetzeslage bei kurzfristigen Beschäftigungen, Mini- und Midijobs.
Worum geht es in diesem Artikel?
- Was ist die Sozialversicherung?
- Was ist eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung?
- Wie hoch sind die Beiträge zur Sozialversicherung?
- Welche Beschäftigungen sind nicht sozialversicherungspflichtig?
- Sind kurzfristige Beschäftigungen sozialversicherungspflichtig?
- Sind Minijobs sozialversicherungspflichtig?
- Sind Midijobs sozialversicherungspflichtig?
- Wer kann sich von der Sozialversicherungspflicht befreien lassen?
Was ist die Sozialversicherung?
Die Sozialversicherung ist ein Versicherungssystem, bei dem Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen Beiträge leisten. Aus dem großen Topf dieser Solidargemeinschaft erhalten Einzelpersonen in Notlagen finanzielle Unterstützung. Die Sozialversicherung bildet einen wichtigen Grundpfeiler der sozialen Absicherung in Deutschland. Sie soll Menschen helfen, wenn sie in Not geraten, krank oder arbeitslos werden, einen Unfall erleiden oder im Alter Pflege benötigen. Damit bietet die Sozialversicherung den Bürgerinnen und Bürgern Schutz vor finanziellen Risiken und schafft eine Solidargemeinschaft, in der die Beiträge aller in Notsituationen Einzelpersonen unterstützen.
Deutschland hat eines der leistungsstärksten Sozialsysteme der Welt, das über viele Jahre gewachsen ist und immer wieder reformiert wurde. Die ersten Sozialversicherungen wurden bereits Ende des 19. Jahrhunderts ins Leben gerufen: 1883 die Krankenversicherung, 1884 die Unfallversicherung sowie 1889 die Invaliden- und Altersversicherung.
Heute sind mehr als 90 Prozent der Menschen in Deutschland in der Sozialversicherung versichert. Die rechtliche Grundlage ist das Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Kern der Versicherung sind die folgenden fünf Säulen:
- gesetzliche Rentenversicherung
- gesetzliche Krankenversicherung
- soziale Pflegeversicherung
- Arbeitslosenversicherung
- gesetzliche Unfallversicherung
Was ist eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung?
Eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist jede Form eines Arbeitsverhältnisses, für das Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt werden. Ob eine Versicherungspflicht besteht oder nicht, ist von der jeweiligen Erwerbstätigkeit der Arbeitnehmer/innen abhängig. Wenn eine „Beschäftigung” vorliegt, besteht im Regelfall Versicherungspflicht – die jedoch gleichzeitig bedeutet, dass die Beschäftigten im Bedarfsfall auch in den Genuss der Leistungen kommen. Eine Beschäftigung ist laut § 7 SGB IV eine nichtselbständige Arbeit, vor allem in einem Arbeitsverhältnis. Die Einordnung, ob eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, ist jedoch nicht immer trennscharf zu treffen. Hierfür muss das Gesamtbild der Arbeitsleistung betrachtet werden. Es geht vorrangig um die Frage: Welche Merkmale des jeweiligen Erwerbsstatus überwiegen in der Praxis? Um den Erwerbsstatus zu bestimmen, können Personen und Unternehmen bei der Clearingstelle des Deutschen Rentenversicherung Bunds nach § 7a SGB IV ein Statusfeststellungsverfahren beantragen (mehr Informationen finden Sie auf der Website des Bundesministerium für Arbeit und Soziales). Für die Entscheidung über den Erwerbsstatus ist im Einzelfall der zuständige Sozialversicherungsträger verantwortlich; für den Streitfall das Sozialgericht.
Zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zählen grundsätzlich alle Arbeitnehmer/innen, die kranken-, renten- und pflegeversicherungspflichtig sind. Auch Arbeitnehmer/innen, die nach dem Recht der Arbeitsförderung (siehe SGB III) beitragspflichtig sind, müssen in der Sozialversicherung versichert sein. Gleiches gilt für diejenigen, für die Beitragsanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung gezahlt werden müssen.
Abhängige Beschäftigungs- oder Angestelltenverhältnisse sind im Regelfall sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen. Hierzu zählen Arbeitnehmerverhältnisse, Berufsausbildungen, Studium und Praktika. Hinzu kommen bestimmte selbstständige Tätigkeiten, für die per Gesetz eine Versicherungspflicht besteht. Dies sind unter anderem Künstler/innen, Handwerker/innen sowie Landwirte und Landwirtinnen. Da der Gesetzgeber zahlreiche Ausnahmen und Sonderregelungen definiert hat, gilt es, im Einzelfall genau hinzuschauen, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt. Im Jahr 2022 waren in Deutschland rund 34,4 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Wie hoch sind die Beiträge zur Sozialversicherung?
Die Beiträge zur Sozialversicherung werden einerseits von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gezahlt. Sie werden direkt vom Bruttolohn abgezogen. Einen zweiten Teil übernehmen die Arbeitgeber/innen. Die Höhe der zu zahlenden Beträge hängt jeweils vom individuellen Bruttolohn der Arbeitnehmer/innen ab.
Rentenversicherung: Die Rentenversicherung beträgt insgesamt 18,6 Prozent des Bruttogehalts – bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 7.450 Euro pro Monat in den neuen Bundesländern und 7.550 Euro pro Monat in den alten Bundesländern. Die Beiträge werden zu gleichen Teilen von Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen geleistet – also jeweils 9,3 Prozent.
Krankenversicherung: Auch bei der Krankenversicherung teilen sich Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen die Kosten zu gleichen Teilen. Die Höhe des Krankenversicherungsbeitrags setzt sich aus einem Basis- und einem Zusatzbetrag zusammen. Der Basisbetrag ist bei allen Krankenkassen gleich und liegt bei 14,6 Prozent des Bruttogehalts – bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 5.175 Euro pro Monat beziehungsweise 62.100 Euro pro Jahr. Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen zahlen jeweils 7,3 Prozent des Bruttoeinkommens. Der Zusatzbetrag, welcher hälftig vom Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin und vom Arbeitgeber bzw. der Arbeitgeberin, wird von jeder Krankenkasse individuell bestimmt; im Schnitt liegt er aktuell bei 1,7 Prozent.
Pflegeversicherung: Alle gesetzlich Krankenversicherten sind gleichzeitig automatisch in der sozialen Pflegeversicherung versichert. Der Beitragssatz liegt bei 3,4 Prozent des Bruttolohns – und damit bei jeweils 1,7 Prozent für Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen. Die Art der Pflege ist im Alter unter anderem davon abhängig, ob die Betroffenen Kinder haben, die sie pflegen könnten. Daher erhalten Kinderlose einen Zuschlag von 0,6 Prozent auf die Pflegeversicherung. Familien mit mehr als einem Kind unter 25 Jahren können hingegen mit Abschlägen rechnen.
Arbeitslosenversicherung: Auf die Arbeitslosenversicherung entfallen insgesamt 2,6 Prozent vom Bruttoeinkommen – je 1,3 Prozent auf Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen. Die Beitragsbemessungsgrenze orientiert sich an den Werten der Rentenversicherung.
Unfallversicherung: Die Unfallversicherung sichert Arbeitnehmer/innen für Arbeits- und Wegeunfälle ab. Sie selbst müssen jedoch keine Kosten tragen. Diese werden vollständig von den Arbeitgeber/innen übernommen, die die Unfallversicherung über die Berufsgenossenschaft abschließen und bezahlen. Der Beitrag für die Unfallversicherung wird für Arbeitnehmer/innen beziehungsweise die Unternehmen individuell bestimmt. Denn in die Berechnungen fließen nicht nur die gezahlten Löhne ein, sondern beispielsweise auch die Gefahrklasse, die das Gefährdungsrisiko des jeweiligen Jobs abbildet. Der durchschnittliche Beitragssatz liegt in Deutschland bei 1,14 Prozent des Bruttolohns.
Welche Beschäftigungen sind nicht sozialversicherungspflichtig?
Neben der Großzahl an sozialversicherungspflichtigen Jobs gibt es auch einige Beschäftigungen, die sozialversicherungsfrei sind. Die betreffenden Personen müssen keine Sozialversicherung zahlen, sich dafür aber selbst um ihre Altersvorsorge kümmern. Dies trifft in erster Linie auf hauptberuflich selbstständige Tätigkeiten zu – bei denen es jedoch einige Ausnahmen gibt.
Neben den Selbstständigen sind auch Beamtinnen und Beamte, Richter/innen, Soldatinnen und Soldaten sowie Lehrer/innen an Privatschulen von der Sozialversicherung befreit. Studierende sind in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei, wenn ihre wöchentliche Arbeitszeit während der Vorlesungszeit unter 20 Stunden liegt. Wenn sie mehr als 520 Euro pro Monat verdienen, besteht für sie jedoch Versicherungspflicht bei der Rentenversicherung. Es gilt, besonders bei kurzfristigen und geringfügigen Beschäftigungen genau hinzuschauen, ob die Sozialversicherung verpflichtend ist.
Sind kurzfristige Beschäftigungen sozialversicherungspflichtig?
Kurzfristige Beschäftigungen sind Beschäftigungen, die auf maximal drei Monate oder 70 Arbeitstage im Kalenderjahr begrenzt sind. Zudem dürfen sie, wenn das Entgelt 520 Euro pro Monat übersteigt, nicht berufsmäßig ausgeübt werden. Ein klassisches Beispiel sind Saisonarbeiter/innen. Für kurzfristige Beschäftigungen müssen weder Arbeitgeber/innen noch Arbeitnehmer/innen Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zahlen. Die Arbeitgeber/innen sind jedoch verpflichtet, die Beiträge zur Unfallversicherung zu entrichten.
Sind Minijobs sozialversicherungspflichtig?
Minijobs sind geringfügige Beschäftigungen, die mit maximal 520 Euro pro Monat entlohnt werden. Sie sind nur zum Teil sozialversicherungspflichtig. Einerseits müssen Unternehmen, die Minijobber anstellen, für diese die Unfallversicherung zahlen. Andererseits gilt eine Versicherungspflicht für die Renten- und Krankenversicherung. Diese müssen von Seiten der Unternehmen mit Pauschalbeträgen geleistet werden. Die Minijobber selbst können sich pauschal von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen, nicht aber vom Pauschbetrag der Krankenversicherung. Letztes geht nur, wenn sie z. B. privat krankenversichert oder bereits anderweitig versichert sind. Die Sozialversicherungsbeiträge für die Pflege- und Arbeitslosenversicherung entfallen bei Minijobs – gleichermaßen für Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen. Wichtig: Unternehmen müssen Minijobs über die Minijob-Zentrale bei der Sozialversicherung melden.
Werden von einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer mehrere Minijobs bei verschiedenen Unternehmen ausgeübt, darf die 520-Euro-Grenze auch in Summe nicht überschritten werden. Liegt das Gesamteinkommen darüber, besteht automatisch eine Versicherungspflicht. Handelt es sich beispielsweise um zwei sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten, wovon eine sozialversicherungspflichtige Arbeit im Sinne einer Hauptbeschäftigung ist, kann nur der Minijob versicherungsfrei sein. Bei der Arbeitslosenversicherung werden versicherungspflichtige Hauptbeschäftigungen und geringfügig entlohnte Beschäftigungen nicht zusammengerechnet. Damit sind die Minijobs dort versicherungsfrei.
Sind Midijobs sozialversicherungspflichtig?
Midijobs sind Beschäftigungen, die mit einem monatlichen Entgelt zwischen 520,01 Euro und 1.600 Euro entlohnt werden. Anders als ein Minijob ist ein Midijob immer sozialversicherungspflichtig. Die Sozialbeiträge liegen jedoch unter denen von Normalverdienenden und richten sich nach dem sogenannten Gleitzonenentgelt. Ausführliche Informationen sowie ein Rechner zur Bestimmung des individuellen Gleitzonenentgelts finden Sie auf der Website der Deutschen Rentenversicherung. Grundsätzlich gilt wie beim Minijob, dass bei einer Ausführung mehrerer Midijobs die Einkommenssumme entscheidend ist.
Wer kann sich von der Sozialversicherungspflicht befreien lassen?
Einige Personengruppen haben die Möglichkeit, sich bei einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung teilweise von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Hierzu zählen neben Minijobbern auch Angehörige bestimmter Berufsgruppen. Beschäftigte aus Arzt-, Apotheken- oder Architekturberufen können beispielsweise eine Rentenversicherungsfreiheit beantragen. Sind bestimmte Voraussetzungen erfüllt, können sich auch weitere Personengruppen von der Sozialversicherungspflicht befreien lassen. Unter anderem:
- Gesellschafter-Geschäftsführer/innen
- Mitarbeitende Familienangehörige und Abkömmlinge einer Arbeitgeberin beziehungsweise eines Arbeitgebers
- Fremdgeschäftsführer/innen
- Mitarbeitende Gesellschafter/innen
- Vorstände von Aktiengesellschaften
Arbeitnehmer/innen, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die allgemeine oder besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze von 69.300 Euro beziehungsweise 62.100 Euro überschreitet, sind krankenversicherungsfrei. Sie können jedoch eine freiwillige gesetzliche Krankenversicherung abschließen. Wenn die Grenze im Laufe eines Kalenderjahres überschritten wird, endet die Krankenversicherungspflicht mit Ablauf des Kalenderjahres – sofern auch im folgenden Jahr eine Überschreitung der Grenze zu erwarten ist. Bei der Antragsstellung gilt es, die entsprechenden Fristen einzuhalten. Die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht muss innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse beantragt werden. Zudem muss nachgewiesen werden, dass anderweitig eine Krankenversicherung besteht. Dies kann beispielsweise eine private Krankenversicherung sein.
Um die vielen Ausnahmen und Sonderregelungen rund um die Sozialversicherung zu kennen und auch bei Aktualisierungen auf dem neuesten Wissensstand zu sein, sollten Unternehmen sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Um mehr zu Steuer - und Buchhaltungslösungen von Stripe zu erfahren, kontaktieren Sie unser Sales-Team!
Der Inhalt dieses Artikels dient nur zu allgemeinen Informations- und Bildungszwecken und sollte nicht als Rechts- oder Steuerberatung interpretiert werden. Stripe übernimmt keine Gewähr oder Garantie für die Richtigkeit, Vollständigkeit, Angemessenheit oder Aktualität der Informationen in diesem Artikel. Sie sollten den Rat eines in Ihrem steuerlichen Zuständigkeitsbereich zugelassenen kompetenten Rechtsbeistands oder von einer Steuerberatungsstelle einholen und sich hinsichtlich Ihrer speziellen Situation beraten lassen.