Bei diesem Leitfaden handelt es sich um einen Auszug aus dem Buch [High Growth Handbook](https://www.amazon.com/High-Growth-Handbook-Elad-Gil/dp/1732265100 "High Growth Handbook") von Elad Gil, das ein Playbook für den Umgang mit den komplexesten Herausforderungen bietet, mit denen Start-ups konfrontiert sind.
Erfolgreiche Produktmanagement-Organisationen helfen einem Unternehmen, eine Produktvision und Roadmaps zu entwickeln, Ziele und Strategien festzulegen und die Umsetzung jedes Produkts während seines gesamten Lebenszyklus voranzutreiben.
Schlechte Produktmanagement-Organisationen hingegen fungieren im Wesentlichen als Projektmanagement-Gruppen, die Zeitpläne verwalten und Unterlagen für Ingenieurinnen und Ingenieure aufbereiten.
Um eine erfolgreiche Produktorganisation aufzubauen, müssen Sie zunächst die Rolle der Produktmanagerin/des Produktmanagers kennen. Zweitens müssen Sie Personen mit den richtigen Fähigkeiten einstellen, einschließlich einer starken VP-of-Product-Führung. Und schließlich sollten Sie einfache Prozesse etablieren, um die Produktorganisation zu ermöglichen und das Unternehmen bei der Skalierung seiner Produktentwicklung zu unterstützen.
Was machen Produktmanager/innen?
Auf einer übergeordneten Ebene ist ein/e Produktmanager/in (PM) die/der einzige funktionsübergreifende Verantwortliche, die/der direkt für den Erfolg eines Produkts verantwortlich ist. Einige Experten bezeichnen PMs als „General Manager des Produkts“ oder „CEO des Produkts“. Tatsächlich ist ein PM die Person, die direkt für ein Produkt verantwortlich ist: PMs tragen die gesamte Verantwortung für den Erfolg des Produkts, verfügen jedoch oft nicht über die direkte Weisungsbefugnis der anderen Funktionen.
Produktmanager/innen sind verantwortlich für:
Produktstrategie und -vision.
Was ist das Ziel des Produkts? Wer sind die Kundinnen und Kunden? Was sind die Hauptfunktionen und Anwendungsfälle? Wie definieren wir Erfolg und welche Kennzahlen können wir zur Produktverfolgung nutzen? Wie gestaltet sich die Wettbewerbssituation und wie sollte das Produkt im Vergleich zu Mitbewerbern positioniert werden? Wodurch wird sich das Produkt differenzieren? Welche wichtigen Vertriebskanäle gibt es? Wie lautet das Geschäftsmodell für das Produkt? Wie sollte das Produkt preislich gestaltet werden? Der/die PM arbeitet mit vielen anderen Abteilungen (Design, Marketing, Vertrieb, Engineering, Data Science usw.) zusammen, um diese Fragen zu beantworten, trägt jedoch die letztendliche Verantwortung dafür, dass diese Fragen gestellt und beantwortet werden.
Die Produktstrategie und -vision sollte zudem die Stimme der Kundschaft widerspiegeln. Der/die PM sollte darauf achten, Nutzerfeedback und Anregungen in den Produktlebenszyklus einzubeziehen.
Produktpriorisierung und Problemlösung.
PMs sind für die Produkt-Roadmap verantwortlich und müssen sicherstellen, dass sie die richtigen Abwägungen enthält. Taktische Aspekte umfassen unter anderem: das Verfassen und Einholen von Feedback zu Product Requirement Documents (PRD), die Organisation und Leitung von Roadmapping-Sitzungen, die Zusammenarbeit mit allen zuvor genannten Abteilungen sowie die Abwägung von Funktionen gegenüber Wirkung und notwendigem Aufwand. Präzise PRDs können einen entscheidenden Unterschied machen, um klare Übereinstimmung über das Produkt und dessen Umsetzung zu erzielen. PRDs sollten die Hauptfunktionen und Produktbedürfnisse klar darstellen.
Diese Verantwortlichkeiten erfordern, dass ein PM daten- und kundenorientiert arbeitet. Die Definition der richtigen Kennzahlen, die Einigung auf diese Kennzahlen und deren anschließende Verfolgung ermöglichen eine bessere Abstimmung der Produktprioritäten. Je technischer die/der PM ist, desto eher ist er in der Lage, die Daten zu analysieren, die für wichtige Kompromisse erforderlich sind. Gleichzeitig sollte die/der PM bestrebt sein, die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zu verstehen und anschließend Kompromisse in Bezug auf die Entwicklungskosten oder die geschäftlichen Auswirkungen zu finden.
Produktmanager/innen widmen sich auch der Lösung von Problemen im Zusammenhang mit dem Produkt oder dessen Entwicklung. Beispielsweise: Wie könnte das Produkt angepasst oder verändert werden, um rechtliche oder regulatorische Probleme zu vermeiden? Wie könnten Funktionen modifiziert werden, um Wettbewerbs- oder Preisprobleme im Vertrieb zu lösen?
Hinweis: Produktmanager/innen arbeiten dabei nicht allein. Ein Produkt zu entwickeln und damit verbundene Probleme zu lösen, ist eine Teamaufgabe. Die/der PM koordiniert sich mit Engineering (technische Einschränkungen und Funktionsideen), Design, Data Science, Marketing, Vertrieb, Support, Recht (zu regulatorischen Fragen) und weiteren Funktionen. Die zentrale Aufgabe des Produktmanagements besteht jedoch darin, Kompromisse vorzuschlagen oder zu treffen zwischen dem idealisierten Schönheitsanspruch des Designteams, den technischen Raffinessen, die Engineering anstrebt, dem „Hauptsache, ich habe etwas, das ich verkaufen kann“ des Vertriebs und dem „das könnte riskant sein“ der Rechtsabteilung. (Diese Beispiele sind bewusst überspitzt dargestellt.)
Umsetzung: Zeitpläne, Ressourcen und Beseitigung von Hindernissen.
Um den Erfolg eines Produkts voranzutreiben, sollten PMs eng mit dem Engineering-Team zusammenarbeiten, um Ziele festzulegen und diese termingerecht zu erreichen. Zu den wichtigsten Maßnahmen, mit denen ein/e PM dem Team helfen kann, seine Ziele zu erreichen, gehören häufig: Lobbyarbeit für Ressourcen oder Aufmerksamkeit seitens des Engineering-, Design- und anderer Abteilungen; das Entfernen oder Priorisieren von Funktionen und die Bereitstellung einer klaren Roadmap für die Umsetzung; das Stellen „dummer” Fragen, um zu ermitteln, ob die jeweiligen Funktionsbereiche die Fristen verkürzen oder unnötige Funktionen oder Arbeiten beseitigen können; sowie das Zurückweisen irrelevanter Anfragen, unabhängig davon, ob diese intern (Design, Vertrieb usw.) oder extern (Kundinnen und Kunden, Partner) gestellt werden.
Viele Menschen betrachten die Produktumsetzung als einen Prozess, der mit der Markteinführung eines Produkts endet. In Wirklichkeit umfasst sie jedoch laufende Produktpflege, Feature-Iterationen und schließlich das Auslaufen oder Einstellen eines Produkts. Ein Produkt zu verwerfen, kann eine Kunst für sich sein, da dabei Kundinnen und Kunden von dem Produkt weggeführt werden und Preisänderungen oder andere Maßnahmen berücksichtigt werden müssen, die zu negativem Kundenfeedback führen können.
Es ist wichtig zu beachten, dass PMs keine Projektmanager/innen sind – ihre Hauptaufgabe besteht nicht nur darin, einen Zeitplan zu verwalten.
Kommunikation und Koordination (überlagert alle oben genannten Punkte).
PMs sollten den Status, den Fortschritt, Hindernisse und die funktionale Abfolge des Teams innerhalb des Unternehmens organisieren und kommunizieren. Dazu gehört möglicherweise, wöchentliche Team-Status-Meetings und Produktreviews mit dem Führungsteam zu leiten (oder gemeinsam mit Engineering zu leiten) sowie die Markteinführung oder andere Zeitpläne im gesamten Unternehmen zu kommunizieren.
Oft ist der schwierigste Teil der Kommunikation, das „Warum“ hinter der Produkt-Roadmap, Priorisierung und Reihenfolge zu vermitteln. Ein Teil davon besteht darin, ein Rahmenwerk zu erstellen, das erklärt, warum bestimmte Dinge Vorrang vor anderen haben und es ist wichtig, dass alle anderen Abteilungen dieses Rahmenwerk akzeptieren.
Letztlich arbeitet das Produktmanagement eng mit Engineering, Design und Vertrieb zusammen und steht dabei manchmal in einer natürlichen (kollaborativen) Spannung zu diesen Bereichen. Engineering wird der Ansicht sein, dass sie das Produkt entwickeln und daher die Befugnis haben sollten, Produktentscheidungen zu treffen. Das Design wird das Produktmanagement für überflüssig halten, da es sich um sehr unterschiedliche Funktionen handelt und der Vertrieb wird sich fragen, warum Produktmanagement nicht schneller liefern kann und warum die/der PM stets versucht, Vertriebsmitarbeitende vom Engineering fernzuhalten. (Dies geschieht, damit sich das Engineering auf die Entwicklung des Produkts konzentrieren kann, ohne seine gesamte Zeit für einmalige Anfragen des Vertriebs aufwenden zu müssen.)
PMs sollten auch als „Puffer“ oder Schutzschild fungieren, das Ingenieur/innen und Designer/innen vor internen und externen Einflüssen schützt. Vertriebs- und Marketingmitarbeiter/innen möchten oft direkt mit dem Engineering-Team sprechen, um für ihre bevorzugten Funktionen zu werben, während Kundinnen und Kunden direkt mit den Entwickler/innen sprechen wollen. Das Produktmanagement sollte hier als intelligenter Filter agieren, alle Eingaben und Fragen bündeln und sie beispielsweise in einer wöchentlichen internen Teamsitzung einbringen – oder die/der PM fungiert als Hauptansprechpartner/in für den Vertrieb. Dadurch wird verhindert, dass Vertrieb, Marketing andere Bereiche zu viel Zeit der Ingenieur/innen und Designer/innen in Anspruch nehmen. Manchmal ist der beste Weg, eine/n Ingenieur/in von einem Kundenbedarf zu überzeugen, ihn oder sie direkt mit Kundinnen und Kunden sprechen zu lassen. Direkte Kundenrückmeldung kann Denkweisen verändern oder wertvolle Impulse für ein gemeinsames Brainstorming oder eine Problemlösungsrunde liefern.
Haben Sie die richtigen Leute?
Man kann gute von schlechten Produktmanager/innen daran unterscheiden, wie ihre Zeit auf die genannten Aufgabenbereiche verteilen. Wenn ein/e PM ihre/seine Zeit ausschließlich mit Checklisten und Projektmanagement verbringt, deutet das darauf hin, dass entweder die technische Leitung schwach ist und kompensiert werden muss; dass das Management der/dem betreffenden PM keine ausreichende Handlungsfreiheit gibt; dass er/sie ihre/seine Rolle nicht richtig versteht oder ihr/ihm das nötige Standing im Team fehlt, um strategischere Aufgaben zu übernehmen. Im Idealfall sollte der Großteil der Zeit im Produktmanagement darauf verwendet werden, das Produkt zu definieren, Prioritäten und Kompromisse festzulegen, Zeit mit Kundinnen und Kunden zu verbringen sowie mit verschiedenen Abteilungen an Produkteinführungen, Feature-Iterationen und Kommunikation zu arbeiten. Die größte Herausforderung besteht oft darin zu erkennen, ob die richtige Person in der richtigen Rolle ist – oder ob das Unternehmen dieser Person die nötige Verantwortung und Unterstützung überträgt, um erfolgreich zu sein.
Eigenschaften erfolgreicher Produktmanager/innen
Beim Einstellen von Produktmanagerinnen/Produktmanagern sollten Sie auf folgende Fähigkeiten achten:
Produktgespür: Produktgespür bedeutet, die Einsichten und Intuition zu besitzen, um die Kundenbedürfnisse für ein Produkt in einem bestimmten Bereich zu verstehen. Welche Produktfunktionen werden Kundinnen und Kunden begeistern oder ihre Kernbedürfnisse erfüllen? Kommt die/der PM aus einer anderen Branche, kennt sie/er möglicherweise nicht die spezifischen Bedürfnisse Ihrer Kundinnen und Kunden. Sie/er sollte jedoch über die Fähigkeiten und das Toolkit verfügen, um schnell mehr über Ihre Kundinnen und Kunden und ihre Bedürfnisse zu erfahren.
Fähigkeit zur Prioritätensetzung: Welchen Wert hat eine vorgeschlagene Funktion im Vergleich zu der dafür erforderlichen technischen Arbeit? Was ist wichtiger: ein neues Produkt für das Vertriebsteam oder eine Funktion für Kundinnen und Kunden? Sollte die Preisgestaltung für Verbraucher/innen oder für Kleinunternehmer/innen optimiert werden? Welches ist das 80-Prozent-Produkt, das unverzüglich auf den Markt gebracht werden sollte und welches spezifische Problem der Kundinnen und Kunden löst es?
Fähigkeit zur Umsetzung: Ein wesentlicher Teil des Produktmanagements besteht darin, Teams und verschiedene Ressourcen zu überzeugen und zu motivieren, um das Produkt auf den Markt zu bringen, es anschließend zu pflegen und die Kundinnen und Kunden zu unterstützen. Produktmanager/innen arbeiten mit den Bereichen Technik, Design, Recht, Kundensupport und anderen Unternehmensfunktionen zusammen, um die Produkt-Roadmap umzusetzen.
Strategisches Gespür: Wie entwickelt sich das Branchenumfeld? Wie kann das Produkt so positioniert werden, dass es der Konkurrenz einen Schritt voraus ist? Intels berühmte Preisstrategie in den 1970er-Jahren ist ein gutes Beispiel für einen mutigen strategischen Schritt. Damals erkannte Intel, dass sich ihre eigenen Kosten stark verringern würden, wenn sie die Stückzahlen skalieren. Eine Reduzierung des Stückpreises würde zu höherer Nachfrage und mehr Absatz führen, was einen positiven Kreislauf erzeugte. Intel entschied klug, ein neues Siliziumprodukt zu einem Preis unter den Herstellungskosten auf den Markt zu bringen, um den Marktanteil schneller zu vergrößern. In der Folge kauften die Kundinnen und Kunden in Mengen, die sie ursprünglich erst zwei Jahre später erwartet hatten, was zu einer massiven Senkung der Kostenstruktur und damit zu einer höheren Rentabilität führte. Mit anderen Worten: Die niedrigen Preise wurden durch das enorme Verkaufsvolumen, das Jahre vor den Prognosen lag, vorzeitig selbst erfüllend und nachhaltig.
Hervorragende Kommunikationsfähigkeiten: Ein Großteil der Aufgaben von PMs besteht darin, Kompromisse zu verstehen und diese anschließend einer vielfältigen Gruppe von Mitarbeitenden und externen Parteien zu vermitteln.
Fähigkeit, Kennzahlen zu identifizieren und einen datengestützten Ansatz zu verfolgen: Sie entwickeln, was Sie messen. Zu den Aufgaben von PMs gehört es, mit dem Engineering- und dem Data Science-Team die Kennzahlen festzulegen, die das Produktteam verfolgen sollte. Die Festlegung der richtigen Kennzahlen kann schwierig sein und selbst die richtigen Kennzahlen können manchmal zu unerwünschten Verhaltensweisen führen.
Die vier Typen von Produktmanagerinnen und Produktmanagern
Die Auswahl der/des PMs hängt von der Art des Produkts ab, an dem Ihr Unternehmen arbeitet. Häufig benötigen Unternehmen eine Kombination der folgenden Profile. Einige Personen können mehrere PM-Rollen ausfüllen, während andere nur eine der folgenden Aufgaben gut erfüllen können.
1. Business-Produktmanager/in
Diese Produktmanager sind besonders stark darin, Anforderungen externer Kundinnen und Kunden in einer internen Produkt-Roadmap zusammenzufassen. Business-PMs sind häufig in Unternehmen für Unternehmenssoftware tätig oder arbeiten an den partnerorientierten Bereichen von Verbraucheranwendungen. Sie können gut mit dem Vertrieb zusammenarbeiten und sich gegenüber Kundinnen und Kunden gut präsentieren, verfügen jedoch auch über ausreichende technische Kenntnisse, um gemeinsam mit den Bereichen Engineering und Design einen Kompromiss zwischen der Produkt-Roadmap und dem erforderlichen technischen Aufwand zu finden. Sie verfügen über fundierte Kenntnisse in den Bereichen Produktpreisgestaltung, Kundensegmentierung und Kundenbedürfnisse.
2. Technische/r Produktmanager/in
Technische Produktmanager/innen sind oft (aber nicht immer) tief technisch versiert und können mit dem Engineering an Bereichen wie Infrastruktur, Suchqualität, Machine Learning oder anderen nach innen gerichteten Aufgaben arbeiten. Technische PMs können oft an einer Vielzahl von Produkten in Enterprise- und Consumer-Bereichen arbeiten, solange sie die notwendigen geschäftlichen Kenntnisse erwerben und über ein gutes Nutzerverständnis verfügen, um die richtigen Abwägungen beim Produkt zu treffen.
3. Design-Produktmanager/in
Designorientierte PMs arbeiten meist an Verbraucheranwendungen und konzentrieren sich mehr auf die Nutzererfahrung. In manchen Unternehmen werden Designer/innen zu Produktmanagerinnen/Produktmanagern für Konsumprodukte umfunktioniert. Designer/innen verfügen häufig über herausragende Fähigkeiten in den Bereichen Nutzererfahrung und visuelles Design, sind jedoch oft nicht darin geschult, die geschäftlichen Abwägungen zu treffen, die für die Führung eines Unternehmens erforderlich sind (z. B. Werbemodelle, Preisgestaltung usw.). Außerdem neigen sie dazu, ein Produkt bis ins letzte Detail perfektionieren zu wollen – was die Markteinführung verzögern kann. Im Allgemeinen ist es daher ratsam, Designer/innen, die in das Produktmanagement wechseln, darauf zu schulen, pragmatische Kompromisse zwischen Ästhetik und Marktfähigkeit zu finden. Designorientierte Produktmanager/innen arbeiten überwiegend mit internen Engineering- und Designteams zusammen und beschäftigen sich seltener mit externen oder geschäftsorientierten Aufgaben.
4. Growth-Produktmanager/in
Growth-Produktmanager/innen sind in der Regel quantitativ, analytisch, zahlenorientiert – und im besten Fall zugleich äußerst kreativ und entschlossen. Ihr Fokus liegt darauf, die entscheidenden Hebel zu identifizieren, mit denen sich Produktnutzung und -akzeptanz steigern lassen und diese gezielt zu steuern. Das Growth-Team von Facebook beispielsweise gewann durch E-Mail-Loops, Trichteroptimierung und umfangreiche multivariate Tests von Anmelde-, Konversions- und anderen Abläufen viele Millionen zusätzlicher Nutzer/innen. Growth-PMs arbeiten eng mit Engineering, Marketing, UX und teilweise auch mit Partnerschafts- oder Deal-Teams zusammen. In manchen Fällen übernimmt das Growth-Marketing die Rolle des Growth-Produktmanagements, das dann dem Marketingbereich unterstellt ist.
Im Allgemeinen gilt: Je technischer und backendlastiger Ihr Produkt ist, desto weniger Produktmanager/innen werden benötigt. Ein Datenbankunternehmen wird wahrscheinlich ein deutlich niedrigeres Verhältnis von PMs zu Ingenieurinnen/Ingenieuren haben als ein Consumer-Internet-Unternehmen. Als ich bei Google arbeitete, hatte das Search-Infrastructure-Team wenige bis gar keine Produktmanager/innen, während das Mobile-Team, das stärker UI- und geschäftsorientiert war, viele hatte – trotz einer deutlich kleineren Engineering-Organisation.
Kein/e Produktmanager/in: Projektmanager/in
Stellen Sie keine Projektmanager/innen als Produktmanager/innen ein. Projektmanager/innen sind zwar hervorragend darin, einen Zeitplan zu organisieren und voranzutreiben, jedoch fehlt ihnen häufig die Fähigkeit, Funktionen zu priorisieren oder übergeordnete strategische Fragen zu stellen. Grundsätzlich werden Projektmanager/innen in leistungsstarken Softwareorganisationen nicht benötigt, da dort Engineering-Manager/innen und Produktmanager/innen die Aufgaben des Projektmanagements übernehmen. Projektmanager/innen können hingegen bei Hardwareprodukten, Implementierungen mit externen Partnern oder herstellerspezifischen Hardwareintegrationen nützlich sein.
Associate Product Manager (APM) und Rotational Product Manager (RPM)
Google und Facebook haben umfangreiche Programme für Nachwuchs-PMs entwickelt, die direkt nach dem Studium in das Unternehmen einsteigen. Das Google-Programm umfasst zwei 12-monatige Rotationen, während das Facebook-Programm aus drei sechsmonatigen Rotationen besteht. In jeder Rotation arbeitet ein/e APM (Associate Product Manager) oder RPM (Rotational Product Manager) mit einer anderen Produktorganisation zusammen (z. B. Werbung, ein Konsumprodukt, Timeline oder Suche). APM- und RPM-Programme sollen eine interne Pipeline zukünftiger Produktführungskräfte aufbauen. Wenn Ihr Unternehmen auf 1.000 oder mehr Mitarbeitende anwächst, kann es sich lohnen, ein ähnliches APM-Programm in Betracht zu ziehen – aber erst dann, wenn bereits eine solide interne Senior-Produktmanagement-Organisation vorhanden ist.
Vorstellungsgespräche mit Produktmanagerinnen und Produktmanagern
Bei Vorstellungsgesprächen mit Produktmanagerinnen und Produktmanagern ist es wichtig, die Rolle im Blick zu behalten, für die Sie sie einstellen (siehe vorherigen Abschnitt „Die vier Typen von Produktmanagerinnen und Produktmanagern“), ebenso wie die allgemeinen Fähigkeiten, die bei allen Produktmanagerinnen und Produktmanagern (siehe „Merkmale erfolgreicher Produktmanager/innen“) und bei allen Neueinstellungen (Cultural Fit usw.) gefragt sind.
Wichtige Themenbereiche bei Vorstellungsgesprächen mit Produktmanagerinnen und Produktmanagern sind:
Produkteinblicke: Welche Produkte verwenden Sie täglich? Wie würden Sie Produkt X verändern? Wie würden Sie Produkt X für eine bestimmte Nutzergruppe gestalten? Welche Funktionen würden Sie hinzufügen? Welche würden Sie streichen oder einstellen? Wenn Sie ein Unternehmen von Grund auf neu gründen würden – mit welchem Produkt würden Sie beginnen und warum? Wie würden Sie beispielsweise ein Mobiltelefon für Kinder gestalten?
Beiträge zu früheren erfolgreichen Produkten: Als ich bei Google arbeitete, hatte ich die Gelegenheit, mit einigen der kompetentesten Produktmanagerinnen und Produktmanagern zusammenzuarbeiten, die ich je kennengelernt habe. Ich hatte auch die Gelegenheit, mit einer Reihe von weniger kompetenten Produktmanagerinnen und Produktmanagern zusammenzuarbeiten, die einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. Wenn Sie eine/n Produktmanager/in zu einem erfolgreichen Produkt befragen, ist es wichtig, genau auf ihre/seine konkreten Beiträge einzugehen. Zum Beispiel: Welche Rolle haben Sie bei der Produktdefinition und beim Launch gespielt? Von wem stammten welche Produktfunktionen? Wer hatte die Idee, Produkt X auf eine bestimmte Weise zu bepreisen?
Priorisierung: Richten Sie Ihre Fragen zur Priorisierung eher auf die Rahmenbedingungen, die die/der Kandidat/in für Abwägungsentscheidungen verwendet und nicht auf die konkreten Abwägungen selbst. Sie können diese Fragen einleiten, indem Sie ein Szenario oder eine Case Study als Ausgangspunkt vorgeben. Beispiel: Nennen Sie ein Beispiel aus der Praxis, bei dem Ihr Unternehmen mehrere potenzielle Produktpfade zur Investition hatte, aber nicht alle verfolgen konnte? Wie würde der PM die Entscheidungsfindung angehen? Welche Faktoren würden dabei eine Rolle spielen? Welche Daten könnten verwendet werden? Was ist ein Beispiel für eine Produktfunktion, die das Führungsteam gefordert hat, die Sie jedoch abgelehnt oder entfernt haben.
Kommunikation und Teamkonflikte:Konnten Sie der Führungsebene Ihres letzten Unternehmens eine Vision oder ein Produkt erfolgreich vermitteln? Welche Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte gab es zwischen dem PM und der Technik- oder Designabteilung? Wie wurden diese Meinungsverschiedenheiten gelöst? Wie baut der PM aktiv Beziehungen zu anderen Teilen des Unternehmens auf? Welche Kommunikationsansätze nutzt der PM? Was ist wichtig zu kommunizieren und wann? Nennen Sie ein Beispiel, bei dem eine Fehlkommunikation zu einem Problem für ein Produkt geführt hat. Wie wurde dieses gelöst und was hat sich danach aus prozessualer Sicht geändert? Im Allgemeinen gibt es ein natürliches Spannungsfeld zwischen Produkt, Design und Technik. In einem schnelllebigen Umfeld können Konflikte ganz natürlich entstehen. Entscheidend ist, wie Beziehungen aufgebaut werden, um Meinungsverschiedenheiten zu überwinden und wie Konflikte gelöst werden, wenn sie auftreten.
Metriken und Daten: Welche Metriken hat die/der PM für ihr/sein letztes Produkt erfasst? Wie wurden diese Metriken ausgewählt? Welches unerwünschte Verhalten könnten diese Metriken gefördert haben und wie würden Sie dieses Verhalten vermeiden? Welche Metriken würde die/der PM für das Produkt Ihres Unternehmens verfolgen? Warum sind dies die richtigen Metriken? Wie oft und in welchem Kontext sollten Metriken überprüft werden? Wie beurteilen Sie, ob ein Produktlaunch erfolgreich war?
Referenzprüfung aller Neueinstellungen im Produktbereich
Bei allen Neueinstellungen ist die Überprüfung von Referenzen äußerst wichtig. Bei Produktmanagerinnen und Produktmanagern ist dies sogar noch wichtiger. Bei Bewerbenden für technische Positionen kann ein Vorstellungsgespräch Aufschluss darüber geben, ob sie über die erforderlichen technischen Kompetenzen verfügen. Bei Produktmanagerinnen und Produktmanagern gibt es jedoch keine leicht testbare Kompetenzmetrik. Stattdessen ist die bisherige Arbeit der aussagekräftigste Indikator dafür, ob jemand auch in Zukunft erfolgreich sein wird. Informelles Hinterfragen über geeignete Kanäle kann besonders aufschlussreich sein.
Die besten Produktmanager/innen haben eine nachweisliche Erfolgsbilanz bei der Einführung von Produkten oder Funktionen, die andernfalls nicht realisiert worden wären. Sie verhandeln erfolgreich mit Technik und Design, um Abwägungen zu treffen, die zum Erfolg des Produkts beitragen und entwickeln eine umfassende strategische Perspektive, die den Geschäftserfolg vorantreibt.