Der Vorsteuerabzug ist ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Steuersystems, der Unternehmen eine deutliche finanzielle Entlastung bietet. Er ermöglicht es, die gezahlte Umsatzsteuer auf betriebliche Ausgaben von der an das Finanzamt abzuführenden Umsatzsteuer abzuziehen. In diesem Artikel erfahren Sie, was der Vorsteuerabzug ist und wie sich die Vorsteuer von der Umsatzsteuer unterscheidet. Zudem erklären wir, wie der Vorsteuerabzug funktioniert, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und wann die Vorsteuer abgezogen wird.
Worum geht es in diesem Artikel?
- Was ist der Vorsteuerabzug?
- Was ist der Unterschied zwischen Vorsteuer und Umsatzsteuer?
- Wie funktioniert der Vorsteuerabzug?
- Welche Voraussetzungen müssen für einen Vorsteuerabzug erfüllt sein?
- Wann wird die Vorsteuer abgezogen?
Was ist der Vorsteuerabzug?
Der Vorsteuerabzug ist nach § 15 UStG ein steuerliches Verfahren, das es umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen ermöglicht, die Umsatzsteuer, die sie auf ihre Einkäufe von Waren und Dienstleistungen gezahlt haben, mit der Umsatzsteuer zu verrechnen, die sie von ihren eigenen Kundinnen und Kunden einnehmen.
Die Steuer, die Unternehmen an andere Unternehmen für den Kauf von Waren und Dienstleistungen zahlen, wird Vorsteuer genannt. Die Umsatzsteuerzahllast ist der Differenzbetrag zwischen der vereinnahmten Umsatzsteuer und der abziehbaren Vorsteuer. Die Umsatzsteuerzahllast muss im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldungen sowie der Umsatzsteuerjahreserklärung regelmäßig berechnet werden. Dadurch wird sichergestellt, dass die fällige Steuer vollständig abgeführt wird oder bei zu hohen Steuerzahlungen eine Erstattung durch das Finanzamt erfolgt.
Was ist der Unterschied zwischen Vorsteuer und Umsatzsteuer?
Die Vorsteuer kann verstanden werden als die Kehrseite der Umsatzsteuer. Steuerpflichtige Unternehmen erheben im Normalfall auf ihre Lieferungen und Leistungen Umsatzsteuer und führen diese als durchlaufenden Posten an das Finanzamt ab (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Sie agieren damit als Vermittler/innen.
Kaufen Unternehmen selbst Waren oder Dienstleistungen ein, bezahlen auch sie zunächst die Umsatzsteuer. Diese Vorsteuer können Unternehmen jedoch vom Finanzamt zurückfordern. Während private Endverbraucher/innen beim Einkauf den Bruttobetrag zahlen, fällt für Unternehmen durch den Vorsteuerabzug nur der Nettobetrag an. Denn sie können die Vorsteuer von der eigenen Umsatzschuld abziehen und zahlen nur die Differenz zwischen vereinnahmter Umsatzsteuer und Vorsteuer. Der Vorsteuerabzug verhindert eine steuerliche Doppelbelastung der Unternehmen und stellt sicher, dass nur der/die Endverbraucher/in die Umsatzsteuer trägt.
Wie funktioniert der Vorsteuerabzug?
Der Begriff „Vorsteuerabzug“ kann verstanden werden als ein Verrechnen der Vorsteuer. Dies ist in fünf Schritten möglich:
Schritte
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Verantwortlicher Akteur/in
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Eine Firma kauft Waren oder Dienstleistungen und zahlt dafür Vorsteuer an die jeweiligen Lieferanten | Firma |
Eine Firma verkauft Waren oder Dienstleistungen und zieht die USt. von ihren Kundinnen und Kunden ein | Firma |
Bei der USt.-Voranmeldung meldet das Unternehmen dem Finanzamt die gezahlte Vorsteuer und die vereinnahmte USt. | Firma |
Das Finanzamt berechnet die USt.-Schuld anhand der Differenz zwischen beiden Beträgen | Finanzamt |
Je nach festgestellter USt.-Schuld leistet das Unternehmen eine Nachzahlung an das Finanzamt oder erhält eine Rückzahlung | Firma/Finanzamt |
Ob ein Unternehmen Steuern abführen muss oder eine Erstattung erhält, ist abhängig von der Höhe der Einnahmen und Ausgaben und der damit verbundenen Steuerbeträge. Ist der Vorsteuerbetrag kleiner als der Umsatzsteuerbetrag, entsteht eine positive Umsatzsteuerzahllast. Das Unternehmen muss in diesem Fall den Differenzbetrag an das Finanzamt zahlen. Ist der Vorsteuerbetrag größer als der Umsatzsteuerbetrag, spricht man von einer negativen Umsatzsteuerzahllast beziehungsweise von einem Vorsteuerüberhang. Liegt ein Vorsteuerüberhang vor, folgt daraus eine Erstattung beziehungsweise Rückzahlung des Differenzbetrags vom Finanzamt an das Unternehmen.
Vorsteuerbetrag < Umsatzsteuerbetrag = Umsatzsteuerzahllast
Vorsteuerbetrag > Umsatzsteuerbetrag = Vorsteuerüberhang
Beispiel 1 zur Berechnung der Umsatzsteuerzahllast
Bruttoverkaufspreise
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Bruttoeinkaufspreise
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Bruttoverkaufspreise | 23.800 € | Bruttoeinkaufspreise | 14.875 € |
Nettoeinkaufspreise | 20.000 € | Nettoeinkaufspreise | 12.500 € |
USt.-Betrag | 3.800 € | Vorsteuerbetrag | 2.375 € |
Umsatzsteuerbetrag – Vorsteuerbetrag = Umsatzsteuerzahllast
3.800 € – 2.375 € = 1.425 €
Die Umsatzsteuerzahllast in dieser Beispielrechnung ist positiv und beträgt 1.425 €. Dieser Betrag muss an das Finanzamt abgeführt werden.
(Annahme: Die getätigten Ein- und Verkäufe sind umsatzsteuerpflichtig mit einem Steuersatz von 19 %.)
Beispiel 2 zur Berechnung der Umsatzsteuerzahllast
Bruttoverkaufspreise
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Bruttoeinkaufspreise
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Bruttoverkaufspreise | 11.900 € | Bruttoeinkaufspreise | 14.280 € |
Nettoeinkaufspreise | 10.000 € | Nettoeinkaufspreise | 12.000 € |
USt.-Betrag | 1.900 € | Vorsteuerbetrag | 2.280 € |
Umsatzsteuerbetrag – Vorsteuerbetrag = Umsatzsteuerzahllast
1.900 € – 2.280 € = -380 €
Die Umsatzsteuerzahllast in dieser Beispielrechnung ist negativ. Damit entsteht ein Vorsteuerüberhang von 380 €, welcher vom Finanzamt erstattet wird.
(Annahme: Die getätigten Ein- und Verkäufe sind umsatzsteuerpflichtig mit einem Steuersatz von 19 %.)
Stripe Tax vereinfacht diesen Prozess, denn für alle Ihre Umsätze wird mit Tax automatisch der korrekte Steuerbetrag ermittelt. Zudem sehen Sie jederzeit, wie hoch die Umsatzsteuer bei Ihren Ein- und Verkäufen ist. Damit können Sie feststellen, welche Vorsteuerbeträge Sie geltend machen können und wie hoch die zu erwartende Umsatzsteuerzahllast ist.
Welche Voraussetzungen müssen für einen Vorsteuerabzug erfüllt sein?
Für einen Vorsteuerabzug müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, die im Umsatzsteuergesetz (UStG) geregelt sind. Die wichtigsten finden Sie nachfolgend im Überblick.
Unternehmerstatus
Zum Vorsteuerabzug sind nur Unternehmer/innen nach § 2 UStG berechtigt, das heißt, Personen oder Organisationen, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig mit Gewinnabsicht ausüben. Privatpersonen sind damit vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Gleiches gilt für Unternehmer/innen, welche die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG in Anspruch nehmen. Da sie keine Umsatzsteuer auf verkaufte Waren und Dienstleistungen erheben, sind sie im Umkehrschluss auch nicht berechtigt, Vorsteuer auf ihre Einkäufe geltend zu machen.
Leistungen oder Lieferungen durch andere Unternehmen
Ein Vorsteuerabzug ist nur möglich, wenn Unternehmen Waren oder Dienstleistungen von anderen umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen kaufen. Wird beispielsweise eine Privatperson für eine erbrachte Leistung bezahlt, kann das Unternehmen keine Vorsteuer geltend machen.
Verwendung für steuerpflichtige Umsätze
Nicht jeder Kauf von Waren oder Leistungen eines Unternehmens bei einem anderen Unternehmen berechtigt automatisch zum Vorsteuerabzug. Ausgenommen sind beispielsweise Einkäufe für private Zwecke oder ohne klaren Bezug zu den unternehmerischen Tätigkeiten. Darüber hinaus gibt es einige Sonderregelungen: Bewirtungskosten sind nur zu 70 % abzugsfähig (§ 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG). Dies wird damit begründet, dass sie oft einen privaten Charakter haben. Geschenke an Geschäftspartner/innen berechtigen pro Person und Jahr nur bis 50 € zum Vorsteuerabzug (§ 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG).
Eine weitere wichtige Voraussetzung für den Vorsteuerabzug: Die gekauften Waren und Dienstleistungen müssen vom Unternehmen für steuerpflichtige Umsätze verwendet werden. Dies schließt beispielsweise bestimmte medizinische Leistungen oder die Vermietung von Wohnraum aus. Es gibt jedoch auch einige steuerfreie Umsätze, bei denen der Vorsteuerabzug möglich ist, zum Beispiel innergemeinschaftliche Lieferungen.
Ordnungsgemäße Rechnung
Grundlage für die Berechnung der Vorsteuer und der sich daraus ergebenden Umsatzsteuerzahllast sind für das Finanzamt die Eingangsrechnungen des Unternehmens. Damit diese für den Vorsteuerabzug anerkannt werden, müssen sie sämtliche Pflichtangaben gemäß § 14 UStG beinhalten:
- vollständiger Name und vollständige Anschrift des leistenden Unternehmens
- vollständiger Name und vollständige Anschrift der Leistungsempfängerin beziehungsweise des Leistungsempfängers
- Datum der Rechnungsausstellung
- Datum der Lieferung oder sonstigen Leistung
- die dem leistenden Unternehmen vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
- eine fortlaufende, einmalig vergebene Rechnungsnummer
- die Menge und Art der gelieferten Produkte oder den Umfang und die Art der erbrachten Dienstleistung
- Nettobetrag
- der anzuwendende Steuersatz und der entsprechende Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis auf die Steuerbefreiung
- Bruttobetrag
Ausführliche Informationen zum Thema finden Sie in unserem Beitrag zur Rechnungsstellung.
Wann wird die Vorsteuer abgezogen?
Unternehmen können den Vorsteuerabzug im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldungen geltend machen. Diese müssen gemäß § 18 Absatz 1 UStG entweder monatlich oder vierteljährlich beim Finanzamt abgegeben werden. Der Turnus ist abhängig von der Höhe der im vorangegangenen Kalenderjahr gezahlten Umsatzsteuer. Bei einer gezahlten Umsatzsteuer über 7.500 € ist eine monatliche Abgabe vorgesehen. Liegt die im Vorjahr gezahlte Umsatzsteuer zwischen 1.000 und 7.500 €, genügt eine quartalsweise Umsatzsteuervoranmeldung. Unter 1.000 € ist eine Befreiung möglich. Wer sich im ersten oder zweiten Jahr der Geschäftstätigkeit befindet, ist jedoch unabhängig der Höhe der vereinnahmten Umsatzsteuer zu einer monatlichen Umsatzsteuervoranmeldung verpflichtet.
Entscheidend für den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs und damit für den Zeitpunkt der etwaigen Nachzahlung oder Erstattung ist die Versteuerungsart des Unternehmens. Es wird unterschieden zwischen Soll- und Ist-Versteuerung (siehe § 16 UStG und § 20 UStG). Bei der Soll-Versteuerung wird die vom Unternehmen eingenommene Umsatzsteuer direkt zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung fällig. Wenn Unternehmen Eingangsrechungen erhalten, können diese die Vorsteuer unmittelbar geltend machen. Bei der Ist-Versteuerung ist hingegen nicht das Rechnungsdatum, sondern der Zahlungszeitpunkt entscheidend. Erst wenn das Geld tatsächlich eingenommen beziehungsweise ausgegeben wurde, wird der Vorsteuerabzug vorgenommen.
Unabhängig von den monatlichen oder vierteljährlichen Umsatzsteuervoranmeldungen müssen umsatzsteuerpflichtige Unternehmen am Jahresende beim Finanzamt eine Umsatzsteuerjahreserklärung abgeben. Diese fasst die zuvor eingereichten Voranmeldungen zusammen und korrigiert diese gegebenenfalls. In diesem Zuge wird die Umsatzsteuerlast des gesamten Jahres berechnet und die Vorsteuerzahlung oder -erstattung unter Umständen noch einmal angepasst.
Der Inhalt dieses Artikels dient nur zu allgemeinen Informations- und Bildungszwecken und sollte nicht als Rechts- oder Steuerberatung interpretiert werden. Stripe übernimmt keine Gewähr oder Garantie für die Richtigkeit, Vollständigkeit, Angemessenheit oder Aktualität der Informationen in diesem Artikel. Sie sollten den Rat eines in Ihrem steuerlichen Zuständigkeitsbereich zugelassenen kompetenten Rechtsbeistands oder von einer Steuerberatungsstelle einholen und sich hinsichtlich Ihrer speziellen Situation beraten lassen.